Israel und die Hamas verständigten sich gestern Abend auf Waffenruhe. Am Mittag hatte es noch einen Terroranschlag in Tel Aviv gegeben.

Kairo/Jerusalem. Waffenruhe in Nahost: Nach acht Tagen schwerer Kämpfe zwischen Israel und militanten Palästinensern im Gazastreifen sollen jetzt die Waffen schweigen. Das kündigte der ägyptische Außenminister Mohammed Kamel Amr gestern Abend in Kairo bei einer Pressekonferenz mit US-Außenministerin Hillary Clinton an. Unmittelbar vor Inkrafttreten der Waffenruhe um 20 Uhr Mitteleuropäischer Zeit hatte die Intensität der Kämpfe kurzfristig noch einmal zugenommen, zumindest in den ersten Stunden danach aber wurde sie eingehalten. Nur in den ersten Minuten nach Inkrafttreten der Vereinbarung seien noch einige Raketen auf Israel abgefeuert worden, teilte das israelische Militär mit. Seither sei es ruhig. Im Gazastreifen feierten Tausende das Ende der achttägigen israelischen Bombardierungen. Von den Minaretten der Moscheen wurden Siegesbotschaften verkündet. Bewaffnete feuerten Freudenschüsse in den Nachthimmel.

Noch am Vormittag hatte es in Tel Aviv erstmals seit mehr als sechs Jahren wieder einen Bombenanschlag auf einen Stadtbus gegeben - die Hoffnung auf einen schnellen Frieden wurde dadurch zunächst gedämpft. Bei der Detonation des Sprengsatzes wurden etwa 20 Menschen verletzt, zwei davon schwer. Insgesamt starben während der gewaltsamen Auseinandersetzungen seit Mittwoch vergangener Woche fast 160 Palästinenser und fünf Israelis. Fast 1300 Menschen wurden verletzt.

Mit dem Beginn der Waffenruhe hätte Israel sein unmittelbares Ziel erreicht, ein Ende der Raketenangriffe aus dem Gazastreifen zu erreichen. Die dort regierende radikalislamische Hamas aber verlangt unter anderem ein Ende der seit fünf Jahren andauernden Blockade durch Israel und auch immer noch durch Ägypten.

Hillary Clinton ging in Kairo darauf nur indirekt ein. "In den kommenden Tagen werden wir daran arbeiten, die Gewalt in der Region zu beenden und eine Verbesserung der Lebensumstände im Gazastreifen sowie der Sicherheit Israels zu erreichen", sagte sie. Israel aber ist gegen ein Ende der Blockade, weil dann noch mehr Waffen in das Gebiet gelangen könnten.

Die Hamas teilte im Gazastreifen allerdings mit, es sei auch die Öffnung der Grenzübergänge für Personen und Waren schon vereinbart worden. Dies solle 24 Stunden nach Beginn des Waffenstillstands in Kraft treten. Wörtlich heißt es in der Erklärung: Beide Seiten sagen die "Öffnung der Grenzübergänge und die Ermöglichung des ungehinderten Übergangs von Personen und Waren" zu. In diesem Punkt dürfte es noch schwierige Verhandlungen geben. In den letzten Stunden vor dem Beginn des Waffenstillstands waren die Kampfhandlungen mit unverminderter Härte weitergegangen. Die israelische Luftwaffe bombardierte Schmugglertunnel und Waffenlager, militante Palästinenser beschossen weiter israelische Städte mit Raketen und Mörsern. Im zahlreichen Orten in der Nähe des Gazastreifens heulten die Sirenen des Luftalarms.

Ägypten soll die Waffenruhe überwachen, sagte Amr. "Die Menschen in dieser Region haben das Recht, angstfrei zu leben. Es gibt keine Alternative zu einem umfassenden und gerechten Frieden", fügte Clinton hinzu.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte, er wolle der Waffenruhe eine Chance geben, drohte aber gleichzeitig, eine Bodenoffensive im Gazastreifen könnte in Zukunft durchaus noch notwendig werden. Gemeinsam mit den USA wolle man entschieden gegen Waffenschmuggel aus dem Iran in den Gazastreifen vorgehen. "Israel kann nicht untätig dasitzen, während Hamas sich aufrüstet." Bei einem Telefonat mit US-Präsident Barack Obama habe er "dessen Empfehlung angenommen, dem ägyptischen Vorschlag über eine Waffenruhe zuzustimmen".

Verteidigungsminister Ehud Barak sagte, Israel habe alle Ziele des Militäreinsatzes erreicht. Das Land sei mit der Absicht in den Kampf gegangen, den militanten Palästinenserorganisationen einen harten Schlag zu versetzen und die Angriffe auf israelische Grenzorte zu unterbinden. Andernfalls könnte eine Bodenoffensive immer noch notwendig werden, warnte auch der Verteidigungsminister. Außenminister Avigdor Lieberman sagte, auch alle politischen Ziele Israels seien erreicht worden. Er dankte Ägyptens Präsident Mohammed Mursi für die Vermittlung.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) begrüßte die ausgehandelte Waffenruhe. "Wenn diese Waffenruhe hält, wäre das eine große Erleichterung für uns alle, aber vor allem für die Menschen in Israel und in Gaza", sagte Westerwelle laut einer vom Auswärtigen Amt verbreiteten Mitteilung. "Alle Seiten stehen jetzt in der Verantwortung, damit aus einer Waffenruhe ein stabiler Waffenstillstand wird."

Die Feindschaft zwischen beiden Seiten sitzt tief. Die Hamas propagiert den bewaffneten Kampf gegen Israel, dem sie das Existenzrecht abspricht. Den Bombenanschlag auf den Bus in Tel Aviv begrüßte sie. "Wir gratulieren unserem Volk zu dieser heldenhaften Tat", hieß es in einer Mitteilung, die über die Lautsprecher von Moscheen im Gazastreifen verlesen wurde. Es handele sich um eine "natürliche Reaktion" auf die Tötung von Zivilisten durch die israelische Luftwaffe, hieß es im Hamas-Fernsehsender. "Die Palästinensergruppen werden zu allen Mitteln greifen, um unsere Zivilisten zu schützen, wenn es die Welt angesichts der israelischen Aggression schon nicht macht", sagte ein Sprecher der Organisation.

Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon verurteilte den Anschlag "auf das Schärfste". Er sei schockiert und traurig, sagte Ban in New York. "Kein Umstand rechtfertigt es, Zivilisten ins Visier zu nehmen." Auch Ban hatte sich um ein Ende der Gewalt bemüht und in den vergangenen Tagen Gespräche in Ägypten, Israel und dem Westjordanland geführt.

Der iranische Parlamentspräsident Ali Laridschani bestätigte gestern zum ersten Mal, dass sein Land der Hamas militärische Hilfe leiste und darauf "stolz" sei. "Die arabischen Länder veranstalten Konferenzen und reden nur, aber sie müssen wissen, dass die Palästinenser dies nicht brauchen. Wir sind daher stolz zu verkünden, dass unsere Hilfe für Hamas finanziell und militärisch ist", sagte Laridschani.