Wenn sich US-Präsident Obama nicht bis Ende des Jahres mit den Republikanern über die Steuerpolitik einigt, droht den USA die Rezession.

Washington/Berlin. Kaum ist der nervenaufreibende Wahlkampf überstanden, droht Präsident Barack Obama der nächste Kleinkrieg: in der Haushaltspolitik. Wenn er nicht bis zum Ende des Jahres mit der auf Blockade getrimmten republikanischen Mehrheit im US-Repräsentantenhaus eine Einigung über die zukünftige Steuer- und Ausgabenpolitik erzielt, stürzt er über die sogenannte „fiskalische Klippe“ in eine Rezession, was ihm – im übertragenen Sinn – das Genick brechen könnte.

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Die „fiskalische Klippe“ droht am 31. Dezember, weil dann aufgrund bestehender Gesetze und Beschlüsse in den USA automatische Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen über 800 Milliarden Dollar (630 Milliarden Euro) im Jahr 2013 greifen. Das ermöglicht zwar, die gigantische Neuverschuldung von jährlich über einer Billion Dollar deutlich zu reduzieren, würde der US-Wirtschaft allerdings den Garaus machen. Steuerexperten warnen, dass dann statt erwarteter 4,4 Prozent nur noch mit einem Wirtschaftswachstum von 0,5 Prozent zu rechnen ist, also mit einer Rezession. Die Folge: Investments würden heruntergefahren, die Privathaushalte würden weniger ausgeben, die Verschuldung würde steigen. Die Arbeitslosigkeit könnte auf über 9 Prozent springen, prognostiziert das Rechnungsamt des Kongresses (CBO).

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Obama steckt in einer dreifachen Zwickmühle. Erstens: Seit vier Jahren musste er in jedem Haushaltsjahr über eine Billion, also 1.000.000.000.000 Dollar neue Schulden aufnehmen. Das heißt, 32 Cent von jedem Dollar, den seine Regierung ausgibt, sind gepumpt. Die US-Schulden betragen inzwischen insgesamt über 16 Billionen Dollar, eine Schuldenlast, die den Staat zu erdrücken droht. Obama muss also sparen.

Fiskalische Klippe würde wirtschaftliche Erholung zerstören

Zweitens: Die durch die „fiskalische Klippe“ (fiscal cliff) am 1. Januar automatisch greifenden Maßnahmen dienen zwar dem Sparen. Für das Haushaltsjahr 2012/2013, das bereits im Oktober beginnt, rechnen die Experten des CBO schon mit einer Haushaltsentlastung von 607 Milliarden Dollar (477 Milliarden Euro). Die ergeben sich aus dem Auslaufen zahlreicher Steuervergünstigungen und der Kürzung von Staatsausgaben. So soll etwa das Ende von Regelungen zum Vorteil der Gutverdiener, die vorwiegend noch aus der Zeit der Regierung von George W. Bush stammen, 221 Milliarden Dollar bringen. Aber auch die zweiprozentige Lohnsteuersenkung, die besonders dem Mittelstand zugutekommen sollte, läuft aus, das spült noch einmal 95 Milliarden Dollar in die Staatskasse. Die Steuermehreinnahmen sollen 399 Milliarden Dollar (313 Milliarden Euro) ausmachen.

Die Kürzung staatlicher Ausgaben, auch im Gesundheitssektor und bei der Arbeitslosenhilfe, und weitere Haushaltsmaßnahme sollen 208 Milliarden Dollar bringen. Abzüglich der erwarteten Mehrausgaben, die Folge der Maßnahmen sein werden, rechnen die Experten mit 560 Milliarden Dollar (439 Milliarden Euro) plus im Etat, mit denen das Staatsdefizit reduziert werden könnte – und mit dem Ende aller Wirtschaftserholung. Das ist für Obama also auch keine Option, nachdem es ihm gerade gelungen ist, das Land langsam aus der schlimmsten Wirtschaftskrise seit der Großen Depression in den 1930er Jahren zu führen.

Drittens: Obamas Alternativvorschläge zu den automatisch erfolgenden Regelungen der fiskalischen Klippe haben von den Republikanern noch am Wahlabend eine Absage erteilt bekommen. Der Präsident steht aber in der Pflicht, sein Wahlversprechen umzusetzen, die Steuern für Gutverdiener zu erhöhen. Das soll ab 200.000 Dollar Einkommen für Singles und 250.000 für Verheiratete greifen. Doch sein Hauptwidersacher im erneut unter republikanischer Führung stehenden Repräsentantenhaus, John Boehner, erklärte sogleich, dass die Blockadepolitik fortgesetzt werde. „Die Wähler haben klar gemacht, dass es kein Mandat für Steuererhöhungen gibt“, kommentierte Boehner die problemlos verteidigte republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus. „Obama hat höhere Steuern für Haushalte mit einem Jahreseinkommen von mehr als 250.000 Dollar vorgeschlagen, und das ist genau das, was Versuche für einen Kompromiss vor einem Jahr scheitern ließ.“

Dauerhafte Blockade der Republikaner

Der Führer der republikanischen Minderheit im Senat, Mitch McConnell, zeigte sich nicht minder unversöhnlich: „Jetzt ist es für den Präsidenten an der Zeit, Lösungen vorzuschlagen, die tatsächlich eine Chance haben, das republikanisch kontrollierte Repräsentantenhaus zu passieren.“

Obama hatte gleich nach der Wahl, noch am Mittwoch, mit den beiden Republikanern und den Führern der Demokraten im Kongress telefoniert. Das amerikanische Volk habe mit der Wahl die Botschaft gesendet, dass die Führer der beiden Parteien ihre parteilichen Interessen überwinden müssten und mit dem gemeinsamen Ziel tätig werden sollten, die Belange des amerikanischen Volkes und der amerikanischen Wirtschaft zu verfolgen, sagte Obama laut Weißem Haus.

Im vergangenen Jahr blockierten die Republikaner Obamas Haushaltspläne so lange, bis den USA beinahe die Zahlungsunfähigkeit drohte.