Amerikaner schicken Präsident Obama in zweite Amtszeit. Aber das Land bleibt politisch gespalten. Im Kongress droht weiter eine Blockade.

Washington. US-Präsident Barack Obama geht nach einem überzeugenden Wahlsieg in eine zweite Amtszeit. Der Demokrat sicherte sich bei der Abstimmung am Dienstag mindestens 303 von insgesamt 538 Wahlmännerstimmen und damit einen deutlichen Vorsprung, wie die US-Fernsehsender am Mittwochmorgen berichteten. In der Dankesrede vor Tausenden jubelnden Parteifreunden in seiner Heimatstadt Chicago beschwor der 51-Jährige die Einheit des amerikanischen Volkes. Obamas republikanischer Herausforderer Mitt Romney (65) räumte nach längerem Zögern seine Niederlage ein. Die Republikaner sicherten sich allerdings wieder die Mehrheit im Repräsentantenhaus.

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„Wir sind die Vereinigten Staaten von Amerika. Wir leben in dem großartigsten Land der Welt“, rief Obama seinen Anhängern in Chicago zu, an seiner Seite Ehefrau Michelle und die beiden Töchter Sasha und Malia. „Egal, woran Du glaubst, wo Du herkommst, ob Du weiß oder schwarz bist, Latino oder Indianer, schwul oder hetero: Du kannst es hier schaffen.“

Seinem unterlegenen Kontrahenten Romney gratulierte Obama zu einem hart geführten Wahlkampf: „Wir haben erbittert gekämpft, aber nur weil wir dieses Land so sehr lieben und weil wir so sehr um seine Zukunft besorgt sind.“ Der Präsident versprach, sich mit den Parteiführern von Republikanern und Demokraten zusammenzusetzen, um dringende Probleme wie Steuersenkungen, Schuldenbegrenzung und das Einwanderungsgesetz voranzubringen.

Der im Geschäftsleben erfolgsverwöhnte Romney räumte seine Niederlage zögerlich, aber gefasst ein. Erst mehr als eineinhalb Stunden nach der Entscheidung trat der Hoffnungsträger der Republikaner in Boston vor seine enttäuschten Anhänger und gratulierte Obama zur Wiederwahl. Er wünsche ihm Erfolg. „Ich habe für das Amt kandidiert, weil ich besorgt um Amerika bin“, sagte Romney. „Ich bete für den Erfolg des Präsidenten bei der Führung unserer Nation.“ Die Wahl sei vorbei, „aber unsere Prinzipien haben weiter Bestand“. Er habe sich so sehr gewünscht, das Land in eine andere Richtung zu führen. Romney bedankte sich auch bei seiner Frau Ann. „Sie wäre eine wundervolle First Lady gewesen.“

Vor dem hell von Flutlichtern erleuchteten Weißen Haus in Washington fielen Menschen einander in die Arme, Obama-Anhänger schwenkten US-Flaggen und Wahlplakate. Bereits Minuten nach der Bekanntgabe des Wahlsiegers fuhren Autokorsos durch die Hauptstadt, Taxifahrer setzten zu Hupkonzerten an. Auch am New Yorker Times Square brach Jubel aus. Dort hatten Hunderte Menschen die Wahl auf großen Videoleinwänden verfolgt.

Für den Sieg bei der US-Präsidentenwahl werden mindestens 270 der insgesamt 538 Wahlmännerstimmen benötigt. In letzten Umfragen hatten beide Kandidaten sich noch ein Kopf-an-Kopf-Rennen geliefert. Romney schaffte es allerdings bis zuletzt nicht, eine breite Wechselstimmung zu entfachen. Aber auch Obama hatte nach der Begeisterung 2008 zeitweise Mühe, die eigene Basis zu mobilisieren, weil viele seiner Versprechen unerfüllt blieben.

Das Repräsentantenhaus wird weiter von Republikanern kontrolliert

Auch in seiner zweiten Amtszeit muss Obama damit rechnen, dass wichtige seiner Gesetzesvorhaben im Kongress blockiert werden, denn das Land bleibt gespalten. Gewählt wurde am Dienstag nicht nur der Präsident, sondern auch alle 435 Mitglieder des Repräsentantenhauses und 33 von 100 Senatoren. Nach vorläufigen Wahlergebnissen der US-Sender vom Dienstag kontrollieren die Republikaner weiter das Repräsentantenhaus. Die Demokraten halten ihre Mehrheit im Senat.

Der Präsident des Abgeordnetenhauses, der Republikaner John Boehner, konnte seinen Sitz behaupten. Der 62-Jährige hatte nach dem haushohen Sieg der Konservativen bei der Kongresswahl 2010 die Demokratin Nancy Pelosi in diesem Amt abgelöst. Mehrheitsführer im Senat bleibt der Demokrat Harry Reid. „Nun, wo die Wahl vorbei ist, ist es Zeit, (...) zusammenzuarbeiten und Lösungen zu finden“, erklärte Reid nach Bekanntgabe des vorläufigen Wahlergebnisses. „Das amerikanische Volk hat der Strategie der Behinderung, des Stillstands und der Verzögerung eine deutliche Absage erteilt.“

Die Republikaner hatten bei den Kongresswahlen 2010 von den Demokraten die Mehrheit mit 242 zu 193 Sitzen übernommen und konnten Obamas Politik dadurch mehrfach ausbremsen. Der US-Präsident ist zwar mit einer Fülle von Kompetenzen und Aufgaben ausgestattet. Allerdings darf selbst der mächtigste Mann der Welt im eigenen Land keine Gesetze ins Parlament einbringen.

Auf den wiedergewählten Präsidenten warten gleich enorme finanzielle Probleme. Sollten sich Republikaner und Demokraten nicht bis Jahresende auf einen Sparkompromiss einigen, treten 2013 automatisch Steuererhöhungen sowie Ausgabenkürzungen in Milliardenhöhe (fiscal cliff) in Kraft. Diese Maßnahmen dürften das Wirtschaftswachstum zusätzlich behindern.

Angela Merkel lädt Obama nach Deutschland ein

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gratulierte Obama zur Wiederwahl und lud ihn zu einem Besuch in Deutschland ein. Sie freue sich auf die Fortsetzung der engen und freundschaftlichen Zusammenarbeit, schrieb Merkel am Mittwoch. Als gemeinsame Aufgaben hob sie besonders die Bewältigung der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise, das Engagement in Afghanistan und die Herausforderung durch das iranische Nuklearprogramm hervor.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte in New York am Rande eines Besuchs bei den Vereinten Nationen: „Wir haben mit der Obama-Regierung sehr gut zusammengearbeitet. Wir haben auch noch vieles gemeinsam vor.“ Auch Bundespräsident Joachim Gauck wünschte Obama viel Glück für seine zweite Amtszeit. Als Partner gleicher Werte und Überzeugungen trügen die USA und Deutschland gemeinsam Verantwortung in der Welt, schrieb er ihm.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und Ratschef Herman Van Rompuy teilten mit, sie hofften auf eine noch engere Zusammenarbeit, insbesondere in der Sicherheits- und Wirtschaftspolitik. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen betonte in einer Erklärung die für Frieden und Sicherheit wichtige „Verbindung zwischen Europa und Nordamerika“. Der britische Premierminister David Cameron sagte über Obama: „Ich habe in den letzten vier Jahren gern mit ihm zusammengearbeitet. Und ich freue mich, auch die kommenden vier Jahre mit ihm zu arbeiten. Es gibt viel, was wir tun müssen.“

Der geplatzte Lebenstraum des Mr. Romney

Mitt Romney wirkte gefasst, doch leicht kamen ihm die Worte nicht über die Lippen: „Ich habe gerade Präsident Obama angerufen und ihm zu seinem Sieg gratuliert“, sagte er traurigen Anhängern in seiner Heimatstadt Boston. In einigen Orten an der Westküste waren die Wahllokale noch geöffnet, als Romneys Traum von der US-Präsidentschaft platzte. Der 65-Jährige wirkte staatsmännisch, als er seine Niederlage eingestand, irgendwie sogar erleichtert.

Doch ein guter Verlierer war Romney nicht. Mehr als eine Stunde ließ er Obama warten, bis er das Ergebnis akzeptierte. Kein Wunder: Die Niederlage ist für Romney richtig bitter, schien der Sieg doch bis zum Ende so greifbar nah. Noch am Wahltag sah ihn manche Umfrage vorn, eine solch herbe Niederlage war kaum zu erwarten.

Beflügelt von einer realen Siegchance bereitete sein Team seit Wochen den Einzug ins Weiße Haus vor, führte konkretere Personalgespräche, schrieb erste Gesetzestexte. Nun das böse Erwachen: Die Regierung eines Präsidenten Willard Mitt Romney wird es nicht geben, nicht in den kommenden vier Jahren und wahrscheinlich nie. Seine Vision für Amerikas Zukunft landet höchstens als Fußnote in Geschichtsbüchern.

Sieben Jahre arbeitete der Ex-Gouverneur nur auf ein Ziel hin: Mächtigster Mann der Welt zu werden. 2008 scheiterte er schon in den Vorwahlen. Doch Romney lernte dazu und ließ beim zweiten Anlauf seinen überwiegend skurrilen und untalentierten Mitbewerbern aus der eigenen Partei keine Chance. Im entscheidenden Duell gegen den Amtsinhaber Obama mauserte er sich schließlich – für viele überraschend – vom müde belächelten Langweiler zum gleichwertigen Herausforderer.

Am Ende boten ihm die schlechte US-Wirtschaftslage, recht schwache Beliebtheitswerte für den Amtsinhaber und außenpolitische Probleme der Regierung echte Siegchancen. Warum er dennoch bei den Wählern durchfiel, dürfte nun eine brutale Ursachenforschung bei den Republikanern klären. Gut möglich, dass die „Grand Old Party“ die Schuld allein beim Kandidaten sieht und ihn als Versager abstempelt. Mit dem „moderaten Mitt“ sind viele Konservative ohnehin nie warm geworden.

Dabei war Romneys Problem nicht, dass er zu weit in der politischen Mitte stand, sondern dass er ein Kandidat von gestern war. Bei seiner klassischen Klientel lag er in Umfragen deutlich vorn – den Senioren, Kirchgängern, Waffenbesitzern oder Vorort-Bewohnern. Doch deren Einfluss schwindet. Weiße Wähler machen nur noch gut 70 Prozent aus – vor 20 Jahren waren es fast 90 Prozent. Obama sagte schon vor Wochen: Wenn Romney verliert, dann weil er sich von der „am schnellsten wachsende demografische Gruppe im Land entfremdet hat – den Latinos“.

Der frühere republikanische Präsidentschaftsbewerber Mike Huckabee warf seiner Partei am Wahlabend denn auch eine „erbärmliche“ Minderheitenpolitik vor. „Das ist eine Gruppe, die eigentlich bei uns Konservativen sein müsste. Aber die Republikaner haben gehandelt, als könnten sie diese Wählergruppe ohnehin nicht gewinnen, und es gar nicht versucht. Und deshalb haben sie sie auch nicht bekommen.“

Hinzu kam, dass die Republikaner mit ihrer konservativen Haltung in Fragen von Verhütung und Abtreibung Frauen verärgerten. Die straften Romney so richtig ab, wie Wählernachbefragungen zeigten: Obama lag bei den Frauen mehr zehn Prozentpunkte vorn.

Die Partei dürfe jetzt bloß nicht mit einem weiteren Rechtsruck reagieren, meint deshalb der Politikexperte John Hudak vom US-Forschungsinstitut Brookings. Um den Abwärtstrend zu stoppen, müsse sie sich stattdessen „den Realitäten einer sich verändernden Gesellschaft stellen“.

Doch es waren auch persönliche Fehler, die Romney in die Niederlage führten. Seinen Wahlkampf führte er mit einer fast peinlichen Zwanghaftigkeit, den Wählern genau das erzählen zu wollen, was sie gerade hören wollen. „Als Kandidat war er ein Gestaltwandler, der seine Botschaften drehte und wendete und sich selbst immer wieder für den Moment passend neu ausrichtete“, kritisierte die „Detroit Free Press“ – immerhin die Zeitung seiner Geburtsstadt.

Zudem verschlimmerte Romney das Image des herzlosen Millionärs mit rhetorischen Ausfällen. Das heimlich aufgenommene Video, in dem er vor reichen Geldgebern 47 Prozent der Wähler als unregierbare Sozialschmarotzer abtat, könnte als der Moment in die Geschichte eingehen, in dem Romney die Wahl verloren hat. Vor allem, weil seine nur wenig später widerwillig veröffentlichten Steuererklärungen zeigten, dass er einen geringeren Steuersatz zahlt als Durchschnittsbürger.