Eine Kuh, die ganzjährig Erdbeeren züchtet, keine Abgase produziert, Energie erzeugt und alles transportiert: Das wäre die Antwort auf die Konsumlust der Menschen. Eine Utopie. Der Welt-Zukunftsrat aus Hamburg hat realistischere Ideen zum Klimaschutz.

Hamburg. "Wie können wir das Treibhausgas Kohlendioxid verbannen, damit wir den Klimawandel abbremsen? Antworten auf diese Frage stehen im Mittelpunkt unseres ersten Buches ,Zukunft ist möglich - Wege aus dem Klimawandel'", sagt Herbert Girardet im Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt, dessen Buch gestern in Hamburg offiziel vorgestellt wurde. Der Autor und Filmemacher ist Forschungsdirektor des Weltzukunftsrates (World Future Council, WFC).

Der WFC mit Hauptsitz Hamburg, versteht sich als Lobby für künftige Generationen und setzt sich für eine Welt ein, die auf der Grundlage von Gewaltlosigkeit, Nachhaltigkeit, Respekt und Gerechtigkeit beruht. Hier die zentralen Aussagen des Buches.

Energie der Zukunft nur aus erneuerbaren Quellen

Erstens sollte die Energiezukunft - im Prinzip - nur auf Wind, Wasser, Sonne, Geothermie und Biomasse, also erneuerbaren Energien, beruhen. "Deutschland macht vor, wie das zu schaffen ist. Nach dem Vorbild des deutschen Einspeisegesetzes haben 41 Staaten und Regionen die Energiewende gestartet. Mit der Kampagne des WFC im Mai 2007 wollen wir dieses Einspeisegesetz international noch bekannter machen", sagt Girardet.

Die Konsumlust der Stadtmenschen beschränken

"Zweitens müssen wir die Städte von Grund auf neu erfinden, um alle Auswirkungen auf Wälder, Ackerland, Wasserräume der Umgebung und der Atmosphäre zu minimieren." Wenn alle Menschen beispielsweise das Komsumverhalten der Londoner hätten, dann bräuchte man drei Erden, um sie zu versorgen.

Eine "Öko-Polis" ohne Müll und ohne Treibhausgase

Eine "Öko-Polis" - eine ökologische Musterstadt - plant Girardet gegenwärtig. Die chinesische Stadt Dongtan, die 15 Kilometer nördlich von Shanghai entsteht, hat fast die Größe von Manhattan (USA) und soll die erste Stadt weltweit sein, die keine zusätzlichen Treibhausgase in die Atmosphäre abgibt und eine Null-Abfall-Stadt ist - obwohl 500 000 Menschen in ihr leben sollen. Sie soll sich allein aus ihrem Umland versorgen können.

Ernährung aus der eigenen Region beziehen

"Viertens muss die Landwirtschaft generell regional organisiert werden, und auf robusten, standortangepassten Sorten beruhen", betont der Forschungsdirektor. Das spräche nicht dagegen, Tee zu importieren oder exotische Früchte, "aber die Basis der Ernährung muss regional gesichert sein".

Deshalb haben Hightech-Pflanzen, die viel Wasser, Dünger und Pestizide brauchen, in diesem Konzept keinen Platz. "Wenn man den Kunstdünger durch natürlichen Dünger ersetzt, fördert man unter anderem die Fähigkeit des Bodens, Kohlendioxid zu speichern. Und man verringert die Gefahr, dass unser Trinkwasser durch Dünger verschmutzt wird", so Girardet.

Wiederverwertung in allen Bereichen zur Norm machen

"Wir müssen fünftens daran arbeiten, dass aus Produkten immer wieder nur Produkte werden, es keinen lästigen Abfall gibt. Das spart Ressourcen und schont das Klima", so Girardet. Der Gedanke einer Produktion von der "Wiege zur Wiege" sei der Kerngedanke der dritten industriellen Revolution. Das bedeute: "Jedes Produkt, das wir uns ausdenken, muss sofort wieder zu einem Ausgangspunkt für ein neues Produkt werden können." Das deutsche Kreislaufwirtschaftsgesetz orientiere sich bereits an diesem Gedanken.

Der Welthandel muss fair ablaufen

Dazu zähle auch, dass der weltweite Handel fair und ökologisch gestaltet wird. "Rosen aus Kenia sind zwar schön, aber ihr Anbau zerstört die Umwelt vor Ort. Gleiches gilt für den Anbau von Baumwolle, dessen Wasserbedarf Seen wie den Aralsee austrocknen lässt", so Girardet. Es dürften nicht 20 Prozent der Weltbevölkerung 80 Prozent der Ressourcen verbrauchen.

Für diesen Wandel sei eine lebende Demokratie unverzichtbar. "Ein eindrucksvolles Beispiel dafür ist die brasilianische Stadt Porto Alegre. Seit 1990 wird bis zu einem Fünftel des Haushaltes der Stadt in Einzelentscheidungen durch die beteiligte Nachbarschaft verteilt. Inzwischen hat sich diese Art der bürgerbeteiligten Haushaltspolitik auf mehr als 300 brasilianische Städte ausgedehnt - das ist doch ermutigend!", betont Girardet.

Dazu müssen die Menschen natürlich erfahren, welche Auswirkungen ihr Handeln auf die Erde und zukünftige Generationen hat. Das von Girardet herausgegebene Buch "Die Zukunft ist möglich - Wege aus dem Klima-Chaos" (EVA, 22 Euro) leistet dazu einen wichtigen Beitrag.

Jakob von Uexküll, Vorsitzender des Weltzukunftsrates, stellt diese Forderungen:

  • "Klimachaos ist keine Umwelt-, sondern eine Sicherheitsfrage."
  • "Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, da die Wissenschaft endlich in die Medien und Köpfe der Politiker durchgedrungen ist."
  • "Es geht vor allem um den Export von Gesetzgebung. Bisher hatten wir weltweit die falschen Regeln. Das muss sich ändern. Die Regeln müssen die Veränderung der Menschen unterstützen."
  • "Die Umsetzung der Vorschläge muss sehr schnell gehen. Vor zwei Jahren sprachen wir noch von Jahrzehnten, danach von Jahren, jetzt von Monaten, die uns bleiben, um die Probleme zu beheben."
  • "Probleme erwarten uns, wo es keine technischen Möglichkeiten gibt, Umweltbelastungen zu beseitigen. Ein Beispiel ist der Flugverkehr. Der muss reduziert werden."