Die Nato erklärte unterdessen, sie wolle auch zivile Ziele angreifen, wenn Gaddafis Truppen diese weiterhin als Stellungen missbrauchen.

Tripolis/Brüssel. Libyen hat jegliche Verhandlungen zur Beendigung des Bürgerkrieges mit den Rebellen abgelehnt, solange die Luftangriffe der Nato weitergehen. Die Nato will allerdings die Gangart gegen den libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi verschärfen und künftig zivile Ziele angreifen, die als Stellungen missbraucht werden. Die Führungsposition von Gaddafi stehe ebenfalls nicht zur Diskussion, sagte Ministerpräsident Al-Baghdadi Ali Al-Mahmudi am Dienstag. Zuvor war er mit einem Sondergesandten der Vereinten Nationen, Abdul Elah al Khatib zusammengetroffen, der zuvor mit den Rebellen in Benghasi gesprochen hatte. „Diese Aggression (die Luftangriffe) müssen sofort gestoppt werden“, forderte der Regierungschef.

Die Nato warf der libyschen Führung vor, immer öfter ihr Militär in zivilen Einrichtungen zu verstecken und damit Zivilisten zu gefährden. Angriffe der Allianz auf solche Ziele würden von offizieller libyscher Seite dann als Angriffe auf zivile Ziele dargestellt und den ausländischen Journalisten so präsentiert. Die Nato gehe davon aus, dass die libysche Führung auch weiterhin so verfahren werde.

Bei den Zielen handele es sich um frühere Ställe, landwirtschaftliche Einrichtungen, Lagerhäuser, Fabriken und Produktionsanlagen für Lebensmittel. „Indem es diese Einrichtungen besetzt und missbraucht hat, hat das Regime sie zu militärischen Anlagen gemacht, von denen aus es Angriffe führt und leitete“, erklärte Lavoie. Damit hätten diese Einrichtungen ihren „einst geschützten Status verloren und sind zu zulässigen und notwendigen militärischen Zielen der Nato geworden“.

Tatsächlich führten Mitarbeiter der Gaddafi-Propaganda am Dienstagmorgen die in Tripolis tätigen ausländischen Reporter zu einem Lagerhaus in Slitan, 160 Kilometer östlich von Tripolis, das in der Nacht zuvor von der Nato bombardiert worden sein soll. Ein BBC-Bericht zeigte ein schwer beschädigtes Hallengebäude. Andere Trümmer sollen Überreste eines Lungen-Krankenhauses sein. Nach Darstellung der Gaddafi-Leute sollen bei dessen Zerstörung durch die Nato sieben Menschen getötet und drei weitere verschüttet worden sein. Der BBC-Reporter nahm allerdings keine Bemühungen wahr, die auf eine Suche nach den Vermissten hingedeutet hätten.

Der britische Außenminister William Hague schloss indes einen Verbleib Gaddafis in Libyen nicht aus, falls dieser die Macht abgibt. Über sein Schicksal müsse das libysche Volk entscheiden, sagte Hague am Montagabend nach einem Treffen mit seinem französischen Amtskollegen Alain Juppé in London. Es stehe jedoch außer Frage, dass Gaddafi die Macht abtreten müsse. Juppé hatte sich bereits vor einer Woche nahezu gleichlautend geäußert.

Nach einem Bericht der britischen Zeitung „The Times“ vom Dienstag hat Hague damit erstmals zugestanden, dass der Machthaber in Libyen bleiben könnte und das Land nicht verlassen müsste. Premierminister David Cameron hatte im Frühjahr zu Beginn des Nato-Einsatzes in dem Land gesagt, Gaddafi müsse zurücktreten und Libyen verlassen.

Das an sich ölreiche Land könnte in wenigen Tagen ohne Benzin dastehen. Die Vorräte reichen nach Einschätzung libyscher Experten nur noch zwei Wochen, hieß es am Dienstag von den Vereinten Nationen in New York. Die Benzinnot sei ein ernsthaftes Problem. Die Preise des öffentlichen Verkehrs hätten sich verdreifacht, was auch die medizinische Versorgung beeinträchtige.

An den Tankstellen gebe es lange Schlangen, einige Tankstellen hätten bereits geschlossen. Das Benzin werde streng rationiert. Auch der BBC-Bericht vom Dienstag zeigte lange Schlangen an den Tankstellen zwischen Tripolis und Slitan.

Die Aufständischen zeigen sich derweil zunehmend ungehalten über die Politik Ägyptens gegenüber dem Gaddafi-Regime. Kairo hat es nämlich – anders als die meisten westlichen Länder – bisher verabsäumt, die Konten Gaddafis und seiner Angehörigen zu sperren. „Die ägyptische Regierung hat unsere diesbezüglichen Ansuchen ignoriert“, zitierte die Tageszeitung „Al-Masry Al-Youm“ am Dienstag Ali al-Essawy, einen Spitzenfunktionär der libyschen Gegenregierung in Bengasi. Wie viel Gaddafi-Geld in Ägypten liegt, ist nicht bekannt.

Mit Material von dpa/reuters