Mit Sprengstoff bewaffnete Angreifer stürmten den Sitz der Kriminalpolizei in Lahore. Ziel der Attacken waren stets Einrichtungen der Polizei.

Hamburg. Mit Sprengstoff-Westen bewaffnete Angreifer stürmten um acht Uhr morgens den Sitz der pakistanischen Kriminalpolizei (FIA) in der sieben Millionen Einwohner zählenden Metropole Lahore - Auftakt zu einer ganzen Serie von offenbar koordinierten Terroranschlägen. Mehr als 40 Menschen wurden in mehreren Provinzen getötet. Ziel der Attacken waren jedes Mal Einrichtungen der Polizei.

In Bedian, einem Vorort von Lahore, drangen fünf mutmaßliche radikalislamische Angreifer über eine Mauer in eine Akademie für Führungskräfte der Polizei ein. Mehrere Angreifer wurden von Scharfschützen erschossen, andere sprengten sich in die Luft. Unter den Erschossenen war nach Polizeiangaben auch ein mit einem Sprengstoffgürtel ausgerüsteter Teenager. Fast vier Stunden hätten die Angreifer Widerstand geleistet, teilte der Armee-Oberbefehlshaber von Lahore, Shafqat Ahmat, mit. Die Angriffe auf die Kriminalpolizei und auf eine weitere Polizeischule im Vorort Manawan hätten nach einer Stunde beendet werden können. Mindestens 28 Menschen starben.

Lahore, zweitgrößte Stadt nach der Hauptstadt Islamabad, gilt als "das Herz Pakistans". Experten warnten schon lange, dass die pakistanischen Taliban und Mitglieder des Terrornetzwerks al-Qaida ihre Aktionen vom Grenzgebiet zu Afghanistan verstärkt in die Provinz Punjab mit der Hauptstadt Lahore verlegen könnten. Aber auch im Nordwesten kam es zu weiterer Gewalt. In Kohat wurden bei einem Autobombenanschlag elf Menschen getötet, darunter mehrere Schulkinder. Und in Peschawar wurde ein Kind bei einer Explosion in einem Wohnhaus für Regierungsangestellte getötet. Kohat und Peschawar grenzen an die halbautonomen Stammesgebiete, die als Hochburg der Extremisten gelten.

Zu der Terrorserie bekannten sich die Taliban. Ein Sprecher sagte, der Angriff sei von Kämpfern der Organisation "Tehrik-e-Taliban Punjab" ausgeführt worden, einer Regionalgruppe der pakistanischen Taliban-Bewegung.

Die neue Welle der Gewalt, die das Land seit knapp zwei Wochen erschüttert, steht offenbar im Zusammenhang mit einer Ankündigung der Regierung, nach der Offensive im Swat-Tal nun auch die weiter südlich in Waziristan gelegenen Hochburgen der Extremisten anzugreifen. Die im Nordwesten Pakistans gelegene Bergregion gilt als Rückzugsgebiet für die Extremisten der Taliban und al-Qaida. Etwa 10 000 Kämpfer werden hier vermutet. Der US-Geheimdienst CIA vermutet, dass sich auch Al-Qaida-Führer Osama Bin Laden dort versteckt. Pakistans mächtiger Geheimdienst ISI steht im Verdacht, die militanten Islamisten zu unterstützen. US-Präsident Barack Obama hat eine neue Strategie für Afghanistan und Pakistan entwickeln lassen ("Afpak"), die auch US-Militäreinsätze gegen militante Islamisten in Pakistan vorsieht.

Aus Furcht vor einer Militäroffensive haben nach Angaben des TV-Senders Dawn bereits 90 000 Menschen Süd-Waziristan verlassen. Andere Quellen sprechen von rund 200 000 Flüchtlingen. Jetzt wird nach der Sommeroffensive im Swat-Tal mit zwei Millionen Flüchtlingen nun ein neuer Exodus befürchtet.

Staatspräsident Asif Ali Sardari sagte, das seit elf Tagen andauernde Blutvergießen werde die Regierung nicht von ihrer Aufgabe abhalten, die gewaltsamen Extremisten auszulöschen. Innenminister Rehman Malik sagte: "Der Feind hat einen Guerillakrieg begonnen. Die ganze Nation sollte nun gegen diese Handvoll von Terroristen zusammenstehen, und so Gott will werden wir sie besiegen."

Fast täglich wurde Pakistan in den vergangenen zwei Wochen von schweren Anschlägen und Angriffen erschüttert. Mehr als 160 Menschen kamen ums Leben. Die Taliban hatten zuvor angekündigt, mit neuen Terrorangriffen auf Einrichtungen von Staat und Armee den Tod ihres Anführers Baitullah Mehsud rächen zu wollen. Er war im August von einer ferngesteuerten US-Rakete getötet worden.