Hakimullah Mehsud zeigt, dass die Taliban keineswegs geschwächt sind. 100 Menschen starben zuletzt bei Attentaten.

Islamabad. Als im August eine US-Rakete Baitullah Mehsuds Leib in zwei Teile riss, da schienen Pakistans Taliban eine empfindliche Niederlage erlitten zu haben. Ohne ihren Anführer, so hatte man gehofft, werde die Terrororganisation sich nicht so leicht erholen. Zu früh gefreut: Die Tehrik-i-Taliban Pakistan (TTP) haben einen neuen Chef, einen, der mindestens ebenso skrupellos, eiskalt kalkulierend und charismatisch ist wie sein toter Vorgänger.

Auftritt Hakimullah Mehsud: ein Draufgänger und Prahlhans, Ende 20, der dafür bekannt ist, eitler und aufmerksamkeitsgieriger zu sein, als es der fotoscheue Baitullah jemals war. Hakimullah (so sein "Kriegsname", tatsächlich heißt er Zulfiqar) ist nicht eng mit seinem Vorgänger verwandt, kommt aber aus demselben Stamm. Vor Baitullahs Tod agierte er als dessen "Leutnant", Sprachrohr und Stellvertreter innerhalb der TTP. Hakimullah war ein spezieller Zögling des Anführers, der ihn zunächst zu seinem Bodyguard machte, bevor er seine Talente erkannte und ihn zu Höherem berief. Seit einigen Jahren kommandierte Hakimullah bereits die Talibankämpfer in den Regionen Khyber, Kurram und Orakzai.

Mehsuds geschickter Umgang mit der Kalaschnikow ist ebenso legendär wie sein rasanter Fahrstil. Schon vor seiner jüngsten Beförderung setzte Hakimullah sich vor Journalisten gerne in Szene, am liebsten grinsend am Steuer eines von den US-Truppen erbeuteten amerikanischen Humvee-Geländefahrzeugs. Doch das lausbubenhafte Auftreten Hakimullahs sollte einen nicht täuschen: Der neue Mann an der Spitze einer der gefährlichsten Terrorgruppen der Erde hat das Ruder fest in der Hand. In einer beispiellosen Anschlagsserie hat die neue TTP in den letzten Tagen gezeigt, dass sie stark ist, zu allem bereit und kaum zu stoppen. Allein in der letzten Woche starben bei vier großen Attentaten in Pakistan über 100 Menschen. Diese blutige Wiederauferstehung der Taliban ist besonders peinlich für Innenminister Rehman Malik. Der hatte im Juli verkündet, Hakimullah sei bei internen Streitereien getötet worden.

Am vergangenen Montag hatte Hakimullah öffentlich Vergeltung für den Mord an seinem Vorgänger Baitullah geschworen. Umgeben von zwei weiteren meistgesuchten Terroristen, einer davon der angebliche Mörder, verkündete er außerdem ein Bündnis mit dem afghanischen Talibanführer Mullah Omar. Das Trio sandte mit seinem Auftritt eine klare Botschaft an die pakistanischen Sicherheitskräfte: Die Taliban sind geeint, es gibt keine Trennung entlang der Durand-Linie, der afghanischen Grenze. Islamistische Splittergruppen und al-Qaida, sie alle sind unter der Dachorganisation von Hakimullah Mehsud versammelt, sie alle ziehen an einem Strang - und sie sind gefährlich wie nie.

Eine Armee von Selbstmordattentätern, so warnte Hakimullah, stehe in den Startlöchern. Ob dies nur seine typische Angeberei ist, lässt sich schwer überprüfen, denn die Geheimdienste haben kaum Zugang zu Süd-Waziristan. Hier war die Gruppe 2007 gegründet worden. Sie übernahm damals die Ideologie der al-Qaida. Demnach ist der Staat Pakistan "Darul Harb" (ein Ort des Krieges), und die pakistanische Armee ist, weil mit den USA verbündet, ketzerisch. Bis heute liegt in Süd-Waziristan das TTP-Hauptquartier, hier halten sich die meisten Militanten versteckt.

Und deshalb will die pakistanische Armee eine Großoffensive gegen Süd-Waziristan starten mit einer Bodenoffensive, wie es sie bisher noch nicht gab. Das Militär will zunächst jedoch den endgültigen Sieg über die Militanten im Swat-Tal abwarten. Und man wolle bei der Vorbereitung vergangene Fehler vermeiden: Im Swat-Tal hatte die Zivilbevölkerung unverhältnismäßig gelitten und die Aktionen der Armee damit äußerst unpopulär gemacht. Doch nach den jüngsten Anschlägen scheint die Offensive unausweichlich. Die Taliban rund um Mehsud, unterstützt von ihren usbekischen Al-Qaida-Verbündeten, werden bis zum letzten Mann kämpfen, prophezeien die Experten. Sie haben einen klaren Heimvorteil, denn sie kennen das bergige, unwegsame Terrain. Ein blutiger Kampf steht bevor - und mehr Terror in den Städten.