Wenn die Sirenen aufheulen, sollen sie sich schnell in den sichersten Ort ihrer Wohnung begeben. Dort sollen die Familien die Kinder um sich...

Tel Aviv. Wenn die Sirenen aufheulen, sollen sie sich schnell in den sichersten Ort ihrer Wohnung begeben. Dort sollen die Familien die Kinder um sich scharen, Entspannungsübungen machen, beten, spielen oder singen. Etwas, das sie ablenkt. Und eines bloß nicht tun: den Fernseher anschalten und Nachrichten gucken.

"Das verschlimmert die Situation und kann Traumagefährdete noch mehr verängstigen", sagt Sigal Haimov von Natal, dem israelischen Zentrum für Opfer von Terror und Krieg in Tel Aviv.

Haimov ist eine der Gründerinnen der Organisation und Leiterin der Hotline. Seit zwei Tagen stehen dort die Telefone nicht mehr still, denn die Menschen aus den israelischen Orten nahe dem Gazastreifen haben Angst und suchen Rat. Sigal Haimov und ihr 40-köpfiges Team arbeiten seit drei Tagen von 8 bis 24 Uhr. Bis gestern haben sie 250 Menschen beraten, 35 Prozent davon sind Mütter und Kinder. Neu ist, dass Kinder im Alter von fünf bis zwölf Jahren selbstständig anrufen. "Sie haben Angst und sind unsicher, ob sie noch normal sind. Wir sagen dann immer, dass ihr Verhalten in einer völlig unnormalen Situation normal ist", so Sigal Haimov. Viele leiden unter Schlaflosigkeit und können nichts essen.

Das Traumazentrum wurde 1998 gegründet unter der Grundannahme, dass "nationale Psychotraumata ein existenzieller Bestandteil der israelischen Gesellschaft sind". Der immer wiederkehrende Kriegszustand belaste die Gesellschaft stark.

Sigal Haimov hat mit einer Frau telefoniert, die erst vor einem Jahr aus dem Gazastreifen evakuiert wurde und jetzt in einer Art Containersiedlung in einem der Grenzorte lebt. "Sie war so verzweifelt, weil sie sich von der israelischen Regierung gleich zweimal hintereinander verlassen fühlte." Erst hätte sie ihr Haus verlassen müssen, und jetzt biete ihr der Container nicht genug Schutz vor den Raketen.

Natal betreut viele noch Jahre nach ihrem ersten Anruf. "Wir sind zwar nur in Israel aufgestellt, aber wir helfen auch Palästinensern, wenn sie uns anrufen würden", sagt Haimov. Für sie seien alle Leidenden gleich, egal welcher Nation sie angehörten. Doch das Angebot würde nur von Israelis wahrgenommen. "Wahrscheinlich trauen uns die Palästinenser nicht. Was schade ist, denn im Gazastreifen gibt es kaum Hilfsangebote wie unsere."