Langsam entspannt sich die Lage in Griechenlands Hauptstadt Athen und anderen Orten. Das griechische Fernsehen berichtete, dass sich fast alle Anhänger der autonomen Gruppen aus den Straßen und dem Polytechnikum in Athen zurückgezogen haben. Bilder von den Straßenschlachten in Athen

Athen. Nachdem ein Polizist einen 15-Jährigen erschoss, waren am Abend des Sonnabend heftige Unruhen ausgebrochen rund 40 Menschen wurden bei Straßenkämpfen verletzt. Linksgerichtete Gruppen kündigten jedoch schon wieder für den Nachmittag neue Demonstrationen an.

Die Ausschreitungen im nordgriechischen Thessaloniki und Athen kamen einem Bürgerkrieg gleich. Mehr als 500 Angestellte entfernten ausgebrannte Autowracks aus den Straßen. Ein Bild der Verwüstung zeichnet sich ab: Die Krawalle hinterließen zudem zerstörte Bankfilialen, Geschäftshäuser und Regierungsgebäude. Auch Privatwohnungen waren demoliert worden. Brennende Barrikaden und massiver Tränengaseinsatz der Sicherheitskräfte legten weite Teile der Innenstadt Athens unter eine dichte Rauchdecke. Hunderte Einwohner litten unter Atembeschwerden.

Der 37 Jahre alter Polizist, der den tödlichen Schuss auf den 15- Jährigen abgegeben haben soll, sagte aus, er habe lediglich drei Warnschüsse abgefeuert. Einer davon habe den Jugendlichen als Querschläger getroffen. Zuvor habe eine Gruppe Autonomer seinen Streifenwagen, in dem er zusammen mit einem Kollegen gesessen habe, mit Steinen angegriffen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Polizisten Totschlag vor, seinem Kollegen im Streifenwagen Beihilfe zum Totschlag. Die Beamten wurden in Untersuchungshaft genommen.


Demonstranten verschanzen sich in Uni


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Augenzeugen sehen das Ganze anders. Sie sprechen von Mord. Es soll auch nur zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen den Autonomen und der Besatzung des Streifenwagens gekommen sein. Anschließend habe der Polizist direkt in die Richtung des Jungen gezielt. "Es war kaltblütiger Mord", meinte ein Augenzeuge im Radio. Der griechische Staatspräsident Karolos Papoulias übte indirekt Kritik an dem Vorgehen der Polizei. Die Rechtstaatlichkeit sei durch diese Ereignisse verletzt worden.

Innenminister Prokopis Pavlopoulos wies vorschnelle Schuldzuweisungen zurück und erklärte: "Wir warten auf die gerichtsmedizinischen Ergebnisse." Die Verantwortlichen würden zur Rechenschaft gezogen. Ministerpräsident Kostas Karamanlis sprach der Familie des Opfers sein Beileid aus. Ein Rücktrittsangebot des Innenministers lehnte er ab.

Mehrere tausend Autonome und andere Linksgerichtete sowie Mitglieder von Menschenrechtsorganisationen hatten am Sonntag gegen den tragischen Zwischenfall demonstriert. "Mörder, Mörder" skandierten die Demonstranten, als sie sich der Polizeidirektion von Athen an der Alexandras Chaussee näherten, wie das Fernsehen berichtete. Griechische Autonome greifen seit Jahren immer wieder Polizisten an und verüben Brandanschläge auf Banken und Autos im Zentrum Athens.

Zu Zusammenstößen nach dem tödlichen Schuss kam es auch in der zweitgrößten griechischen Stadt Thessaloniki. Auch in Komotini und Ioannina im Norden des Landes gab es Ausschreitungen, ebenso auf der Mittelmeerinsel Kreta und in der Hafenstadt Patras.

Der Fall ruft in Griechenland Erinnerungen an den Tod von Michalis Kaltezas wach, der 1985 als 15-Jähriger ebenfalls im Viertel Exarchia während einer Demonstration von einem Polizisten erschossen worden war. Sein Tod war über mehrere Jahre hinweg immer wieder Anlass für Zusammenstöße zwischen der Polizei und linksextremen Jugendgruppen gewesen.