“Es war kaltblütiger Mord“, sagt ein Augenzeuge. “Es war Selbstverteidigung“, sagt die Polizei. “Es war wie im Krieg“, sagt eine Anwohnerin. Fest...

Hamburg/Athen. "Es war kaltblütiger Mord", sagt ein Augenzeuge. "Es war Selbstverteidigung", sagt die Polizei. "Es war wie im Krieg", sagt eine Anwohnerin. Fest steht, dass im Athener Problemviertel Exarchia am Sonnabend um 21 Uhr ein 15-Jähriger von einem Polizisten erschossen wurde. Sein Tod löste die schwersten Krawalle in Griechenland seit 25 Jahren aus, die auch gestern andauerten, und brachte die ohnehin unbeliebte konservative Regierung von Ministerpräsident Kostas Karamanlis weiter in Bedrängnis.

In Athen beteiligten sich rund 5000 Demonstranten an einer Protestkundgebung. Hunderte teils maskierte Demonstranten warfen Steine und Molotowcocktails, zündeten Müllcontainer, Autos und Geschäfte an. Die Polizei sperrte das gesamte Zentrum Athens ab und ging mit Tränengasgranaten vor. Allein in Athen wurden 17 Banken beschädigt, fünf weitere in Thessaloniki. 100 Geschäfte wurden zerstört. Die Protestwelle gegen "willkürliche Polizeieinsätze" erfasste rasch auch andere Teile des Landes.


Schwere Krawalle erschüttern Griechenland


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Krawalle gab es unter anderem auf Kreta und Korfu, in Patras, Komotini und Ioannina. Innenminister Prokopis Pavlopoulos beeilte sich zu versichern, dass die Verantwortlichen für den Tod des Jugendlichen zur Rechenschaft gezogen würden. Er bot seinen Rücktritt an - den Karamanlis aber ablehnte. Der 37 Jahre alte Todesschütze wurde gestern verhaftet, er muss sich wegen Totschlags verantworten. Sein Kollege sowie der Chef der Wache in Exarchia wurden vom Dienst suspendiert. Drei Staatsanwälte wurden mit der Untersuchung beauftragt.

Der Fall ist so heikel, weil 1985 schon einmal ein Polizist im Viertel Exarchia einen 15-Jährigen erschossen hatte. Der Tod von Michalis Kaltezas sorgte noch jahrelang für Krawalle.

Am Sonnabend hatten nach Polizeiangaben rund 30 Demonstranten einen Polizeiwagen mit Steinen beworfen. Zwei Beamte seien ausgestiegen, um die Jugendlichen aufzuhalten. Der 37-Jährige habe dann drei Warnschüsse abgegeben, von denen einer den 15-Jährigen, Sohn eines Athener Schmuckhändlers, als Querschläger getroffen habe.

Nach Angaben der Demonstranten hat der Polizist jedoch nach einer verbalen Auseinandersetzung dem Jungen gezielt dreimal in die Brust geschossen.