Altes Europa, neues Europa - beim Sondergipfel der Europäischen Union gestern in Brüssel wurden die Grenzen auf dem Kontinent wieder offenkundig.

Altes Europa, neues Europa - beim Sondergipfel der Europäischen Union gestern in Brüssel wurden die Grenzen auf dem Kontinent wieder offenkundig. Nicht die, an denen man den Pass zeigen muss und kontrolliert wird. Das ist seit dem Schengener Abkommen Vergangenheit. Es geht um Grenzen in den Köpfen als politisches Moment. Und diese Linien trennen die EU-Mitglieder, die früher dem Warschauer Pakt angehörten und erst seit Mai 2004 Teil der Union sind, von den Staaten, die schon immer "der Westen" waren.

Die Osteuropäer haben ihre Erfahrungen mit Moskau gemacht, deshalb sind ihre Ängste und Vorbehalte gegenüber einer weichen Kompromissformel verständlich. Und die hat Brüssel gestern auch nicht geliefert. Der Ton ist hart und unmissverständlich.

Aber gleichzeitig hat die EU auch alle diplomatischen Möglichkeiten ausgeschöpft. Die alten Mitglieder haben die neuen vor Verbalattacken bewahrt. Das ist gut so, denn es wird in Europa immer wieder Kompromisse geben müssen.

Nun also will die EU Beobachter nach Georgien entsenden und dem Land finanziell helfen. Mit Russland soll über ein neues Partnerschaftsabkommen erst nach einem Abzug der Truppen aus dem georgischen Kernland gesprochen werden. Bis zum gemeinsamen Gipfel am 14. November soll außerdem das Verhältnis zwischen beiden Seiten genauestens geprüft werden. Das riecht aber auch nach Spielen auf Zeit. Hoffen die 27 EU-Staaten, dass sich der Kaukasus-Konflikt bis dahin erledigt hat und sie Russland auf Linie bringen? Werden sich altes und neues Europa gegenseitig gründlich bearbeiten, um die jeweils andere Seite von Ängsten oder Argumenten zu überzeugen? Es ist wohl eine Mischung. Auf jeden Fall macht die Kaukasus-Krise deutlich, welch großer Stolperstein Europas notorische Vielstimmigkeit sein kann.