Der Frieden, so schrieb der Schweizer Staatsrechtler Carl Hilty Ende des 19. Jahrhunderts, sei stets nur um eine Haaresbreite vom Krieg entfernt.

Der Frieden, so schrieb der Schweizer Staatsrechtler Carl Hilty Ende des 19. Jahrhunderts, sei stets nur um eine Haaresbreite vom Krieg entfernt. Selbst die bitteren Lehren des Ersten und Zweiten Weltkriegs, denen binnen einer einzigen Generation 67 Millionen Menschen zum Opfer fielen, haben uns nicht kurieren können. Der Mensch bleibt des Menschen Wolf. Mehr als 230 kriegerische Konflikte mit weiteren Dutzenden Millionen Toten zählen Experten seit 1945.

Wie das mythische Monster Hydra, dem abgeschlagene Köpfe sogleich nachwachsen, treibt auch der Nationalismus wieder kräftig aus, reckt nach dem ruhmlosen Ableben von Nazismus und Stalinismus mit dem militanten Islamismus eine neue menschenverschlingende Ideologie ihr hässliches Haupt empor.

Und Europa, das Mega-Schlachtfeld des vergangenen Jahrhunderts, das die Lehren der Geschichte verstanden zu haben meint, wähnt sich als Insel des Friedens, als wohliges Shangri-La inmitten einer Welt von Gewalt. Es ist ein gefährlicher Trugschluss. Auf dem nahen Kaukasus sterben Menschen, weil wieder einmal Fanatiker, Hasardeure und Zyniker der Macht ihre Interessen mit Blut und Eisen durchsetzen wollen. Leicht könnte der Konflikt eskalieren. Der radikalislamisch regierte Iran bewaffnet sich mit Raketen, deren Reichweite allmählich Europa erfasst. Und am Hindukusch werden Soldaten unseres Nachbarn Frankreich niedergemetzelt, weil sie dort für Frieden sorgen wollten. Es hätten auch deutsche Soldaten sein können.

Frieden, stets nur um Haaresbreite vom Krieg entfernt, ist ein fragiles Konstrukt vor allem aus Freiheit, Toleranz und Gerechtigkeit. Es ist vielleicht die bitterste Lehre aus 10 000 Jahren kriegerischer Menschheitsgeschichte: dass Frieden in weiten Teilen der Welt noch immer nur die Atempause zwischen zwei Kriegen ist.