München. Der verheerende Zyklon "Nargis" hat nicht alle Menschen in Birma ganz unvorbereitet getroffen. "Freunde haben uns gesagt, wir sollten zu Hause bleiben, da kommt etwas", beschreibt der gerade aus Rangun zurückgekehrte Münchner Mediziner Heinrich Schoeneich den Abend vor dem Sturm. "Ich glaube schon, dass da Warnungen erfolgt sind, aber nicht in dem Ausmaß, wie es hätte sein können." Nur ein Bruchteil der Bevölkerung habe Zugang zu Radio, Fernsehen oder Zeitungen. Schoeneich war mit einem Ärzte-Team des gemeinnützigen Vereins Interplast Germany zwei Wochen lang in den Bergen in Zentralbirma, um Kinder mit Missbildungen zu operieren.

Die Menschen in dem Katastrophengebiet bräuchten jetzt vor allem Reis und sauberes Wasser. "Und sie brauchen Zelte - es ist Beginn der Regenzeit." Die Preise für Diesel seien binnen zwei Tagen auf das Zehnfache gestiegen, ebenso der Preis für eine Flasche Wasser. "Lebensmittelknappheit herrschte schon am nächsten Tag." Denn in Birma werde stets nur der Bedarf für einen Tag eingekauft.

"Ein Wirbelsturm in dem Ausmaß hat das Land noch nie getroffen", sagte der plastische Chirurg, der seit zehn Jahren mit Interplast Germany in Birma operiert. In Rangun selbst sei die Zahl der Verletzten und Toten überschaubar geblieben, jedoch seien Straßen durch umgeknickte Strommasten, Bäume, herumliegende Hochspannungs- und Telefonkabel unpassierbar gewesen. Mit Messern versuchten die Menschen die Straßen wieder frei zu schneiden. "Man sah keine Panik, die Leute haben das mit Ruhe ertragen und mit Küchenmessern und Macheten angefangen aufzuräumen."

Viele Menschen seien empört, dass vom ansonsten allgegenwärtigen Militär zunächst nichts zu sehen gewesen sei, sagte Carsten Schmidt, Manager des Reisebüros Uniteam in Rangun. "Auch jetzt sind wesentlich weniger Soldaten auf den Straßen als im vergangenen September." Damals hatte das Militär nach tagelangen friedlichen Protesten gegen das Regime das Feuer auf Demonstranten eröffnet und Dutzende getötet.

Nach Einschätzung von Schmidt sind 70 bis 80 Prozent der Bäume in der Hafenmetropole umgerissen worden. Strommasten lägen umgeknickt in den Straßen und Werbeplakate seien aus ihrenVerankerungen gerissen worden. In vielen Wohnhäusern seien die Scheiben zerborsten. Zahlreiche Wellblechhütten in den Außenbezirken seien dem Erdboden gleichgemacht, berichteten ihm einheimische Mitarbeiter. "Die Hütten und Dächer sind einfach davongeflogen", sagte Schmidt. Das größte Problem sei jetzt, "dass es kein Strom und Wasser gibt".

Weil sein Büro über Diesel, einen Generator und auch eine Wasserpumpe verfügt, hätten die Menschen schon mit Eimern Schlange gestanden. "Aber wenn der Diesel ausgeht, nützt auch die Pumpe nichts mehr", sagte Schmidt. Die Lebensmittelpreise seien um das Dreifache gestiegen. "Wer Geld hat, kommt durch. Aber die meisten Leute hier sind ja bitterarm."