Die Opferzahlen steigen stündlich. Doch die Generäle lassen Auslandshilfe nur zögerlich zu.

Singapur/Rangun. Ein Bild des Grauens offenbart sich den ersten Nothelfern, die gestern über das Zyklon-Gebiet im Süden Birmas fliegen: "Überall Leichen, die Straßen sind voll", berichtet Tin Htar Swe, die Leiterin des BBC-Programms für Birma, schockiert. Sie hat mit Helfern und Betroffenen gesprochen. "Sie irren wie gelähmt durch die Straßen und sehen nur Tote. In vielen Dörfern im Ayeyarwady-Delta sind 95 Prozent der Häuser zerstört."

In der Hafenmetropole Rangun räumen die Menschen mit bloßen Händen den gröbsten Schutt beiseite - Schulter an Schulter mit den Mönchen. Vernünftiges Werkzeug gebe es nirgends, sagt der deutsche Manager des Reisebüros Uniteam in Rangun, Carsten Schmidt. "Ich habe in den letzten drei Tagen vielleicht drei Sägen und zwei Bulldozer beobachtet." In Rangun waren nach Angaben des Exilsenders "Democratic Voice of Burma" zwar Feuerwehrwagen unterwegs, die Wasser verteilten - allerdings habe die Feuerwehr sich dies teuer bezahlen lassen.

Verwüstung, Tod und drohender Hunger in Birma

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Umso mehr wächst der Unmut darüber, dass das sonst so allmächtige Militär weder vor dem herannahenden Zyklon gewarnt noch rechtzeitig nötige Hilfsmaßnahmen eingeleitet hat. "Die Generäle waren zu sehr damit beschäftigt, ihr Referendum vorzubereiten", sagte Oppositionssprecher Soe Aung in Bangkok im Hinblick auf die an diesem Sonnabend geplante Volksabstimmung über eine neue Verfassung. "Das Referendum ist ihnen so wichtig, weil sie damit ihre Macht für immer zementieren wollen - sie haben dem Zyklon einfach keine Beachtung geschenkt."

Auch international wächst die Kritik. Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner warf dem Regime vor, Hilfe für das zerstörte Land abzublocken. "Sie haben unsere Direkthilfe nicht akzeptiert, und sie haben das Hilfspersonal nicht akzeptiert, das wir ihnen angeboten haben." Die Junta in Rangun nehme internationale Hilfe nur in dem Maße an, in dem sie diese selbst kontrollieren und verteilen könne. "Das gibt der internationalen Gemeinschaft kein Vertrauen." Selbst Hilfsteams der Vereinten Nationen haben nach Uno-Angaben auch vier Tage nach der Katastrophe noch keine Einreisegenehmigungen erhalten. Ähnlich geht es den Hilfsorganisationen Internationales Rotes Kreuz und Roter Halbmond. Die Militärjunta hatte zuvor angekündigt, sie werde internationale Hilfe von "wohlgesinnten" Staaten in den betroffenen Gebieten nur nach Absprachen zulassen. Auch dies macht deutlich, wie sehr das Militär die Gesellschaft in Birma in den vergangenen 45 Jahren durchsetzt hat. Behörden, Verwaltungen, Firmen, Schulen, Freizeitklubs, Krankenhäuser - alles ist in seiner Hand. Bis zu 400 000 Mann stehen im Militärdienst, das sind fast ein Prozent der Bevölkerung.

Und die Junta regiert rücksichtslos. In Regionen, die sich dem Joch des Regimes nicht unterwerfen wollen, zerstört die Armee regelmäßig Dörfer, zwingt Männer in den Fron- und Bewohner ganzer Dörfer in den Arbeitsdienst. Schon Zehn- und Zwölfjährige müssen den Waffendienst ableisten. Zum Wohle der Soldaten sind die "Spenden", die bei Razzien eingetrieben werden. "Sie durchsuchen bei der Fahndung nach vermeintlichen Rädelsführern Geschäfte und Läden und greifen dann immer kräftig in die Ladenkassen", sagt Zin Linn, Sprecher einer Exil-Oppositionsgruppe in Bangkok. "Zur Verpflegung der Soldaten, die euch schützen, sagen sie".

Geld treibt die Armee auch ein, um die Massen zu bezahlen, die zu Demonstrationen zur Unterstützung des Regimes gekarrt werden. Mehr als 50 000 Menschen werden oft auf abgelegenen Exerzierplätzen zusammengetrieben, um im Scheinwerferlicht des Staatsfernsehens Slogans zur Unterstützung der Militärjunta zu skandieren.

Von alledem bekommen die im Land als Devisenbringer willkommenen Touristen so gut wie nichts mit. Sie werden zu Pagoden und durch traumhafte Landschaften geführt, für sie sind die Bettelmönche, die jeden Morgen durch die Straßen ziehen, ein beliebtes Fotomotiv. Doch weil die Späher der Junta in jeder Straße sitzen, leben vor allem die einheimischen Gesprächspartner gefährlich. Die Foltergefängnisse sind berüchtigt.

Die Wut der Menschen über mangelnde Hilfsleistungen könnte das Regime ernsthaft bedrohen. "Wir erwarten, dass die mangelnde Katastrophenhilfe Auslöser für neue, breite Proteste für Freiheit und Demokratie sein können", schreibt die von Thailand aus im Grenzgebiet aktive Südtiroler Hilfsorganisation "Helfen ohne Grenzen". Sie richtet sich auf einen neuen Flüchtlingsstrom ein.


Spendenkonten Welthungerhilfe: Stichwort "Nothilfe Myanmar/Birma", Konto 1115, Sparkasse KölnBonn BLZ: 370 501 98. DRK: Stichwort "Zyklon", Konto 41 41 41, Bank für Sozialwirtschaft BLZ 370 205 00.