Nur zwei Monate nach ihrer Rückkehr aus dem Exil wurde ihr der Griff zur Macht zum Verhängnis. Politiker reagierten weltweit mit großer Betroffenheit. Jetzt Kriegsrecht in Pakistan?

Rawalpindi/New York. Eine Atommacht steht am Abgrund: Elf Tage vor der geplanten Parlamentswahl in Pakistan ist Benazir Bhutto, die frühere Ministerpräsidentin und charismatische Vorsit- zende der Pakistanischen Volkspartei (PPP), nach einer Wahlkampfkundgebung in Rawalpindi ermordet worden. Der Täter - nach Augenzeugenberichten ein "junger schlanker Mann" - feuerte zunächst mehrere Schüsse auf Bhutto ab, die mit einem offenen Auto durch eine Menge jubelnder Anhänger fuhr. Dann zündete er einen Sprengstoffgürtel und riss mindestens 20 Menschen mit sich in den Tod.

Pakistans Sicherheitskräfte wurden sofort in höchste Alarmbereitschaft versetzt. In den Großstädten Rawalpindi, Peschawar, Karatschi und Lahore kam es zu schweren Krawallen. Bhutto-Anhänger blockierten Straßen und zündeten Fahrzeuge und Geschäfte an. Am Abend funktionierten auch die Mobiltelefone nicht mehr - für Experten ein Anzeichen, dass möglicherweise zum zweiten Mal binnen weniger Monate das Kriegsrecht verhängt wird.

Die Tat rief weltweit Entsetzen hervor. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach von einem "feigen terroristischen Anschlag". US-Präsident George W. Bush forderte, die Täter hart zu bestrafen. In New York trat der Uno-Sicherheitsrat zur Krisensitzung zusammen. Generalsekretär Ban Ki-moon sagte: "Das ist ein Anschlag auf die Stabilität in Pakistan." Die US-Börsen rutschten unter dem Eindruck des Attentats ins Minus.

Benazir Bhutto, die eine eher westlich orientierte Politik vertrat, war erst am 18. Oktober aus dem Exil nach Pakistan zurückgekehrt, um dort wieder um die Macht zu kämpfen. Dies versuchten ihre Gegner, radikale Islamisten ebenso wie die Militärregierung von Präsident Pervez Musharraf, zu vereiteln. Mehrfach stellte Musharraf seine Gegnerin unter Hausarrest. Außerdem wurde schon am Tag ihrer Rückkehr ein Anschlag auf sie verübt, möglicherweise von radikalen Moslems: 140 ihrer Anhänger wurden dabei getötet, sie selbst überlebte unverletzt - und trat weiter öffentlich auf. "Ich werde mich nicht einschüchtern lassen", sagte sie.

Wer hinter dem Anschlag gestern steht, ist noch unklar. Nur wenige Stunden vor ihrer Ermordung hatte Bhutto mit dem afghanischen Präsidenten Karsai in Islamabad über den Kampf gegen die radikalislamischen Taliban gesprochen. Bhuttos Anhänger schlossen aber auch eine Verwicklung der Militärregierung nicht aus, beschimpften Musharraf als "Hund". Der Präsident seinerseits rief die Bevölkerung zur Ruhe auf und ordnete eine dreitägige Staatstrauer an. Die Nation müsse sich friedlich verhalten, "damit die bösen Gestalten von Terroristen besiegt werden können", sagte er im Staatsfernsehen. Laut Innenministerium wird erwogen, die für den 8. Januar angesetzte Wahl zu verschieben.