Kommentar

Pakistan befinde sich auf dem Weg in den Dschihad, in die Anarchie, hatte Benazir Bhutto vor Kurzem gesagt. Die Zweckaussage, mit der sie sich als demokratische Alternative zum blutigen Duell zweier despotischer Kräfte empfehlen wollte - zwischen der Armee und dem radikalen Islamismus -, wirkt nun, vor dem Hintergrund ihrer Ermordung, wie eine düstere Prophezeiung.

Pakistan, 1947 als Kunststaat für die Muslime des indischen Subkontinents gebildet, gilt in politischen Analysen inzwischen als "failed state" - als gescheitert im Sinne einer funktionierenden Zivilgesellschaft. Während die mächtige Armee als korrupter Staat im Staate agiert, der rücksichtslos seine Pfründen verteidigt und die Opposition aus dem Wege räumt, hat sie in der Region Wasiristan weitgehend die Kontrolle verloren. Dort, an der Grenze zu Afghanistan, ist eine Art autonomes Taliban- und Al-Qaida-Regime entstanden, das Metastasen in den gesamten politischen Organismus des Landes streut.

Mit ihrem Werben für eine Demokratisierung der verkrusteten politischen Strukturen war Benazir Bhutto sowohl der Armee als auch den Islamisten ein Dorn im Auge. Bhutto war beileibe keine Lichtgestalt, verkörperte aber zumindest Hoffnungen auf eine moderate Liberalisierung.

Pakistan leidet nicht nur an einer Militärdiktatur, an radikalen Eiferern, sozialer Unwucht und ausufernder Korruption, sondern auch an zahlreichen ethnischen und innerislamischen Rivalitäten. Da es obendrein Atomwaffen besitzt, deren Kontrolle die Islamisten mit aller Macht anstreben, gilt es als "gefährlichstes Land der Welt". Eine Lösung im Sinne westlichen Demokratieverständnisses ist nicht in Sicht.

Die vorläufige Stabilisierung des vom weiteren Zerfall bedrohten Atomstaates muss man sich nun wohl ausgerechnet vom Militär erhoffen. Es ist damit in doppelter Hinsicht Nutznießer des Todes von Benazir Bhutto.