HAMBURG. Die dramatische Kehrtwende bei den US-Geheimdiensten in Sachen Iran hat Freude im Iran und Skepsis in Israel ausgelöst. Alle 16 Mitglieder der "Intelligence Community" der Vereinigten Staaten, darunter Organisationen wie CIA und NSA, hatten dem Iran in einem gestern vorzeitig veröffentlichten Bericht bescheinigt, dass die Regierung in Teheran ihr Atomwaffenprogramm bereits 2003 gestoppt und seitdem nicht mehr aufgenommen habe. Irans Führung sei offenbar "weniger entschlossen, eine Atomwaffe zu entwickeln", als dies in den letzten zwei Jahren von der US-Regierung angenommen worden war.

Der 100 Seiten starke Bericht "National Intelligence Estimate" (NIE) ist ein "Tiefschlag" für die Iran-Politik der Regierung von US-Präsident George W. Bush, wie die "Washington Post" meinte. Washington war davon ausgegangen, dass das Mullah-Regime an einem Atomwaffenprogramm arbeitet.

Noch Mitte Oktober hatte Bush vor einem Dritten Weltkrieg gewarnt, sollte Iran in den Besitz der Bombe gelangen. Immer wieder hatte es Berichte über amerikanische Szenarien für einen Militärschlag gegen 300 ausgemachte Ziele als wichtigste Komponenten des iranischen Atomwaffenprogramms gegeben.

Während die Regierung in Teheran die "Korrektur" der amerikanischen Einschätzung begrüßte, meldete Israel erhebliche Zweifel an. Zunächst betonte Irans Außenminister Manuscher Mottaki im staatlichen Radio, die "Tendenz des iranischen Atomprogramms ist friedlich". Und es sei "immer gut", wenn andere Staaten ihre Meinung zum iranischen Atomprogramm "in Richtung Realität" korrigierten.

Israels Verteidigungsminister Ehud Barak meinte dagegen, der Iran setze sein Programm zum Bau der Atombombe wahrscheinlich weiter fort. Es sei möglich, dass Teheran sein Waffenprogramm 2003 für eine Zeit lang ausgesetzt habe. "Aber soweit wir wissen, ist es seitdem wieder aufgenommen worden." Infrastrukturminister Benjamin Ben-Elieser meinte, Israel dürfe kein Risiko eingehen und müsse weiter "auf jede Art und Weise" gegen eine iranische Atomgefahr vorgehen. In dem US-Bericht findet sich in der Tat eine allerdings diffus gehaltene Passage, nach der Iran weiter mit einer Technik arbeite, die das Land in die Lage versetzen könnte, zwischen 2010 und 2015 genügend waffenfähiges Uran herzustellen.

Für die internationale Atomenergiebehörde IAEO ist der US-Geheimdienstbericht keine Überraschung. "Die US-Dienste haben sich im Wesentlichen der Position der europäischen Dienste angenähert", hieß es in Wien.