Frank Ilse über die Hinrichtung eines Diktators

Saddam Hussein ist tot. Tausende Menschen auch in der arabischen Welt haben sich das immer gewünscht. Zuvorderst die Angehörigen derer, die von dem Tyrannen aus Tikrit ermordet und geschunden worden sind. Die Liste der Missetaten des ehemaligen irakischen Staatschefs ist lang. Sie beinhaltet Folter wie Völkermord und Angriffskrieg. Saddam gehört also zu den Menschen in dieser Welt, die niemand vermisst.

Doch deswegen musste er nicht gleich umgebracht werden. Saddam Hussein für den Rest seines Lebens wegzuschließen hätte vollkommen ausgereicht. Denn was straft einen Machtsüchtigen mehr als die Ohnmacht? Ein Diktator, der nicht mehr herrschen kann, wird zu dem, was er wahrscheinlich im Kern ohnehin ist: ein armseliges Geschöpf.

Die Mehrheit der zivilisierten Gesellschaften dieser Erde hat sich entschieden, den Rachegedanken aus ihrer Justiz zu verbannen. Das ist der Hintergrund für die Ächtung der Todesstrafe. Die Gesellschaft kann wirksam vor Verbrechern geschützt werden, gleich ob Räuber oder Diktatoren, indem diese Menschen weggesperrt - und im Falle Saddams und aller anderen seiner Sorte um ihre Macht gebracht werden. Und nur um diesen Schutz kann es in einem Rechtstaat gehen.

Dieses System soll im Irak etabliert werden. Das wollen sogar die USA. Deshalb wäre es besser gewesen, damit gleich zu beginnen, und Saddam am Leben zu lassen. Wenn US-Präsident George W. Bush die Hinrichtung von frühen Sonnabendmorgen als "Meilenstein" für die Entwicklung des Irak preist, mag er damit sogar richtig liegen. Doch die Richtung, in die dieser Stein weist, ist falsch.

Was die Frage aufwirft, welchen Weg der Irak in Zukunft überhaupt beschreiten wird und ob der Tod von Saddam Hussein darauf irgendeine Auswirkung haben wird. Wenn überhaupt, wohl eher eine negative. Denn für die sunnitische Minderheit wird der Hingerichtete nun zum Märtyrer, der sich anders als ein Saddam im Gefängnis gut verklären lässt. Seine Exekution am Vortag des islamischen Versöhnungsfests wird den Spalt zwischen Schiiten und Sunniten nur noch vergrößern.

Doch für den Irak sind die grausigen Fernsehbilder letztlich nicht gedacht. Sie sind Dokument für die mehr als 20000 verwundeten amerikanischen Soldaten, dass ihre Verletzungen und der Tod ihrer 3000 gefallenen Kameraden nicht vergeblich war. Sie sollen Sieg suggerieren in einem Land, das immer weiter in die Niederlage rutscht.