Nur Stunden nach Inkrafttreten des einseitig von Israel verkündeten Waffenstillstandes feuerten militante Palästinenser am Vormittag sechs Raketen auf die israelische Grenzstadt Sderot. Israels Ministerpräsident Ehud Olmert drohte daraufhin mit weiteren Militärschlägen im Gazastreifen.

Tel Aviv/Gaza. "Wenn der Beschuss weitergeht, ist die Armee darauf vorbereitet", sagte Olmert nach israelischen Medienberichten zu Beginn der wöchentlichen Kabinettssitzung in Jerusalem. "Wir werden ohne zu zögern das tun, was getan werden muss."

Die von Israel verkündete Waffenruhe war um 2.00 Uhr Ortszeit (1.00 Uhr MEZ) in Kraft getreten. Olmert hatte am Vorabend in Tel Aviv erklärt, Israel habe nach einer dreiwöchigen Offensive seine Kriegsziele mehr als erreicht. Israels Truppen sollten jedoch vorerst im Gazastreifen bleiben, um zu gewährleisten, dass die radikal-islamische Hamas keine weiteren Raketen auf Israel abfeuert. Generalstabschef Gabi Aschkenasi erklärte in einer Stellungnahme, dass die Militäroperation "noch nicht zu Ende" sei. Die Truppen im Gazastreifen hätten den Befehl erhalten, feindliches Feuer zu erwidern.

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Hamas erklärte die einseitig ausgerufene Waffenruhe für bedeutungslos, solange sich Israel nicht aus dem Gazastreifen zurückzieht und die Blockade des Gebietes aufhebt. Die Hamas erklärte am Sonntagmorgen in einem Flugblatt den Sieg über die israelischen Truppen. Man gratuliere dem palästinensischen Volk und dem bewaffneten Widerstand, die "dem Feind schwere Verluste zugefügt und ihn zum einseitigen Rückzug gezwungen" hätten.

Nach Angaben palästinensischer Sanitäter wurden unterdessen am Sonntag in den Trümmern im Gazastreifen etwa 40 weitere Tote gefunden. Die Zahl der Toten in den drei Wochen der Offensive wurde von der örtlichen Gesundheitsbehörde mit 1245 angegeben. Etwa 5450 Menschen seien verletzt worden. Auf israelischer Seite starben 13 Menschen, darunter drei Zivilisten, bei Raketenangriffen oder Kämpfen im Gazastreifen.

In der israelischen Grenzstadt Sderot schlugen am Sonntag erneut sechs aus dem Gazastreifen abgefeuerte Raketen ein, wie ein israelischer Polizeisprecher mitteilte. Es habe keine Verletzten gegeben. Ein Armeesprecher teilte mit, die Luftwaffe habe anschließend die Gruppe von Palästinensern, die die Raketen abgefeuert habe, beschossen und getroffen. Zuvor war es im Norden des Gazastreifens sowie in der Stadt Gaza zu Feuerwechseln zwischen bewaffneten Palästinensern und israelischen Soldaten gekommen, wie Augenzeugen berichteten.

Bei einem Gipfel auf Einladung von Ägyptens Präsidenten Husni Mubarak sollte am Sonntag über Auswege aus dem jüngsten israelisch-palästinensischen Konflikt beraten werden. Dazu wurden auch Kanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy, der britische Premier Gordon Brown und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sowie der jordanische König Abdullah II. im ägyptischen Badeort Scharm el Scheich erwartet. Merkel wollte am Nachmittag zu Gesprächen nach Israel weiterreisen.

Nach israelischen Medienberichten stimmten im 12-köpfigen Sicherheitskabinett zwei Minister gegen die Waffenruhe, einer enthielt sich. Hamas sei schwer getroffen, sagte Olmert am Samstagabend vor Journalisten in Tel Aviv. Die israelischen Angriffe hätten die operativen Kräfte der Hamas stark gemindert und deren Infrastruktur größtenteils zerstört. Viele Gebiete, aus denen militante Palästinenser Raketen auf Israel abfeuern, seien jetzt unter Kontrolle der israelischen Armee. Olmert äußerte auch ausdrücklich Bedauern über die schweren Verluste der palästinensischen Zivilbevölkerung im Gazastreifen.

Die USA, die Bundesregierung und Ban begrüßten die Ankündigung der einseitigen Waffenruhe durch Israel. Merkel äußerte nach Angaben eines Regierungssprechers in Berlin die Erwartung, dass die Hamas ihren Raketenbeschuss Israels einstellt. Ban hoffte, dass dies der erste Schritt für eine dauerhafte und tragfähige Waffenruhe sein wird, die zu einem vollständigen Rückzug der israelischen Truppen aus dem Gazastreifen führt. Hamas müsse jetzt aufhören, Israel mit Raketen zu beschießen.

Mubarak rief Israel in einer Fernsehrede zu einem vollständigen Rückzug seiner Truppen aus dem Gazastreifen auf. Er stellte klar, Ägypten werde seine Grenzen mit Israel und zum Gazastreifen selbst sichern und "niemals Beobachter auf seinem Gebiet tolerieren".

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