17 Uhr Ortszeit, 20 Grad Außentemperatur. Glutrot versinkt die Sonne vor Ashdod im Mittelmeer. Aber der Strand ist wie leer gefegt. Die gut 200 000...

Ashdod. 17 Uhr Ortszeit, 20 Grad Außentemperatur. Glutrot versinkt die Sonne vor Ashdod im Mittelmeer. Aber der Strand ist wie leer gefegt. Die gut 200 000 Einwohner der südisraelischen Küstenstadt, 20 Kilometer südlich von Tel Aviv, haben andere Sorgen. Auf dem Parkplatz der City Shopping-Mall schieben Menschen prall gefüllte Einkaufswagen zu ihren Autos. Rami Agami (67) ist einer von ihnen. "Ich habe für drei Wochen eingekauft", sagt der Familienvater und fährt den einen Kilometer nach Hause. Für Rami eine halbe Ewigkeit. Jederzeit ist mit dem Beschuss durch palästinensische Kassam-Raketen zu rechnen. "Die Situation ist katastrophal" sagt Rami.

30 Jahre hat er in Deutschland gelebt, in Hamburg und Lübeck in der Gastronomie gearbeitet. Dann ging Rami zurück in seine Heimat Israel. Seit elf Jahren lebt er dort mit seiner zweiten Frau Taly (39) und dem siebenjährigen Sohn Abraham "Sie werden uns nicht vertreiben. Der liebe Gott liebt uns", sagt Rami.

Mit "Sie" meint der Israeli die Kämpfer der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen. "Sind das Männer, die auf den Dächern von Schulen und Krankenhäusern sitzen und Raketen abschießen? Das sind keine Männer, sondern Unmenschen und Terroristen."

Den ganzen Tag sitzt die Familie zu Hause, die Schule ist geschlossen. Rami: "Mein Leben ist nicht wichtig, aber mein Sohn. Er ist mein Diamant." Täglich schlagen bis zu 40 Kassam-Raketen im Süden Israels ein. Vor ein paar Tagen sei beinahe sein Haus getroffen worden, erzählt Rami. Nur wenige Meter fehlten.

Die Agamis haben in ihrem Haus einen Bunker. 16 Quadratmeter groß, mit eisenbewährter Tür. Wenn die Sirenen heulen, bleiben 45 Sekunden, um in den Bunker zu flüchten. Sein Sohn habe sich daran gewöhnt, sagt Rami. "Wenn die Sirenen heulen, kommt Abraham und geht mit uns in den Keller. Aber man hört die Raketeneinschläge."

Nachts schläft die Familie im Bunker. "Ich nehme Abraham in den Arm und halte ihn fest. Ich schaue zur Decke und denke an die Leute in Gaza, 30 Kilometer entfernt. Und ich frage mich, warum das Ganze? Wir wollen keinen Krieg."

Täglich telefoniert Rami mit seiner Tochter Judith (36). Die lebt mit Mann und Tochter Valentina (1) in Hamburg. "Wir haben große Angst um meinen Vater. Früher sind die Kassam-Raketen nie so weit gekommen. Es ist neu, dass sie in Ashdod einschlagen", sagt die Tochter. Die Krankenschwester am UKE macht gerade Baby-Pause. "Im Mai wollen wir meinen Vater in Ashdod besuchen. Ob es klappt, steht in den Sternen."