Am späten Donnerstagabend lenkten die Russen im Gas-Streit ein und stimmten der Entsendung einer Beobachter-Delegation in die Ukraine zu. Sie soll die Gaslieferungen kontrollieren. Die Ukraine will den Einsatz russischer Beobachter zur Überwachung des Gastransits nach Mittel- und Westeuropa zulassen.

Hamburg. Es war ein zähes, stundenlanges Ringen, das am Donnerstag überraschend doch noch eine Einigung brachte: Russland stimmte nach anfänglich hartem Widerstand dem Einsatz von Beobachtern zur Überwachung von Gaslieferungen für die Europäische Union über die Ukraine zu. Damit dürfte der Gastransport, den Russland am Mittwoch komplett eingestellt hatte, schon bald wieder aufgenommen werden, ließ die tschechische Ratspräsidentschaft am späten Abend wissen.

Über die Details der Überwachung, an der Russland mit eigenen Kontrolleuren teilnehmen wollte, war bis zuletzt heftig gestritten worden. Ein mit den Verhandlungen vertrauter tschechischer Minister sagte der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Prag: "Jetzt fehlt nur noch die Entscheidung, wieder Gas in die Systeme zu leiten." Es sei damit zu rechnen, das eine aus EU-Beobachtern bestehende Delegation bereits am Freitag in der Ukraine ihre Arbeit aufnehmen könne.

Danach hatte es zunächst gar nicht ausgesehen. Zwar hatten der russische Gazprom-Chef Alexej Miller und der ukrainische Naftogaz-Chef Oleg Dubina nach ihren Treffen gestern in Moskau und Brüssel versprochen , das russische Gas wieder durch die ukrainischen Pipelines nach Europa zu leiten, sobald unabhängige EU-Beobachter an den Grenzen den Transit überwachen. Doch am Abend stellte die russische Regierung die Einigung wieder infrage.

Moskau hatte offenbar darauf bestanden, dass den Kontrolleuren auch Russen angehören müssen. Russlands Regierungschef Wladimir Putin hatte zudem verbale Provokationen nachgelegt und die ukrainische Regierung als "hochgradig kriminell" bezeichnet. Sie sei "unfähig bei der Lösung von Wirtschaftsproblemen" und weigere sich, das Gasabkommen mit Russland zu unterzeichnen.

Im Streit um Gaspreise, die Nutzung der Transitleitungen und mögliche illegale Gasentnahmen zwischen Russland und der Ukraine war der Gastransfer nach Europa am Mittwoch komplett zum Erliegen gekommen. Beide Länder gaben sich gegenseitig die Schuld dafür. Angesichts der dramatischen Auswirkungen vor allem für die südosteuropäischen Länder, die teilweise komplett von den russischen Gaslieferungen abhängig sind, war der Empfang für die Konzernchefs aus den beiden Ländern in Brüssel entsprechend frostig.

Die bulgarischen Abgeordneten fühlten ihr Land als "Geiseln des unverantwortlichen Verhaltens zweier Länder", zogen Vergleiche zur Winterschlacht von Stalingrad und warfen ukrainischen Vertretern von Naftogaz vor: "Es gibt Kinder, die wegen der Kälte sterben." Die Russen waren wegen angeblicher Landeschwierigkeiten in Brüssel gar nicht erst zu den europäischen Abgeordneten gekommen. Zum Thema Energiesicherheit berief die EU für Montag ein Krisentreffen der Energieminister ein. Die gesamteuropäische Solidarität zu stärken und einen zusammenhängenden Gasmarkt aufzubauen, das muss nach Meinung der Energieexpertin Kirsten Westphal (Stiftung Wissenschaft und Politik) eine Lehre aus der Gas-Krise sein. Bisher fehlt es dafür an ausreichenden Gasleitungsnetzen und Speicherkapazitäten. Künftig müsse es auch technisch möglich sein, dass etwa "aus Spanien algerisches Gas nach Bulgarien geleitet werden könnte". "Das wäre schon ein Element, um Russland und der Ukraine einen politischen und ökonomischen Hebel zu nehmen", sagt Westphal. Die bisherigen Möglichkeiten nutzt E.on Ruhrgas, um "Stützungslieferungen" nach Ungarn, in die Slowakei und Italien zu senden. Energie-Expertin Westphal plädiert dafür, weitere Transportrouten und Bezugsquellen zu erschließen.

Filme zum Thema