Blaues T-Shirt unter schwarzem Sakko, einen blauen Rucksack hält er verkrampft in der Rechten. Und mit der Linken trägt Martin J., der mit bleichem...

Cambridge. Blaues T-Shirt unter schwarzem Sakko, einen blauen Rucksack hält er verkrampft in der Rechten. Und mit der Linken trägt Martin J., der mit bleichem Gesicht vor dem Gericht in Cambridge erschien, noch eine zusammengeknüllte Jacke - blau-schwarz.

Der schlanke 27-Jährige sagte nur das Nötigste, seinen Namen, seine Adresse in Cambridge und plädierte auf "nicht schuldig". Nicht schuldig, am 2. Februar die öffentliche Ordnung in der altehrwürdigen Universitätsstadt gestört zu haben mit seinem erbosten Zwischenruf und dem Schuhwurf auf den chinesischen Ministerpräsidenten Wen Jiabao. Der deutsche Doktorand der Pathologie und aufstrebende Genforscher der Elite-Hochschule gab sich nach seiner aufsehenerregenden Attacke gegen den Top-Politiker verstockt. Er und seine Anwältin Catherine Bradd verweigerten Kommentare. Nicht einmal seinen deutschen Herkunftsort nannte Martin J.

"Ich möchte mit der Presse nicht reden, solange der Fall nicht abgeschlossen ist", sagte er - und bleibt ein Rätsel.

Im schlimmsten Fall droht ihm in Cambridge der Rauswurf. Denn er hatte bei seiner Aktion auf Englisch gerufen: "Wie kann sich die Universität für diesen Diktator prostituieren. Wie könnt ihr den Lügen zuhören, die er erzählt. Steht auf und protestiert."

Das Gericht vertagte sich auf den 10. März. "Bis dahin haben beide Seiten die Möglichkeit, Beweise zu sammeln und Zeugen zu benennen", sagte die Richterin mit Blick auf Staatsanwaltschaft und Verteidigung.

Mehr als eine Million Menschen haben das Video vom Protest des Mannes im Internet-Portal YouTube angeklickt. Wen hat sogar per öffentlicher Bekanntmachung Gnade für Martin J. gefordert und ihm verziehen. Ein junger Mann brauche Erziehung. Selbstverständlich sagte er das nicht, ohne vorher die Entschuldigung der Uni und vom Schuhwerfer selbst erhalten zu haben.

In Cambridge studieren etwa 600 Chinesen. In J.s Forscherteam sind zwei Chinesen. Zuletzt hatte die Universität eine Kampagne in Asien gestartet, um gerade in China die besten Studenten zu akquirieren. Sollte J. verurteilt werden, droht ihm eine mehrmonatige Haft oder eine Geldstrafe. Ein Sprecher der Universität hatte kurz nach dem Zwischenfall gesagt: "Die Hochschule ist ein Ort der Debatte und nicht des Schuhewerfens." Diese Lektion scheint J. gelernt zu haben.