Die SPD sei bereit, gemeinsam mit Union und FDP einen parteiübergreifenden Ersatzkandidaten zu finden, sagte Parteichef Gabriel.

Berlin. Der SPD-Chef Sigmar Gabriel bietet Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Unterstützung bei der Suche nach einem Nachfolger des unter Druck geratenen Bundespräsidenten Christian Wulff an. Vorrausgesetzt dieser trete zurück, könne sich die Regierungskoalition darauf verlassen, gemeinsam mit der SPD einen parteiübergreifenden Ersatzkandidaten zu finden. Gabriel versicherte: Seine Partei werde in dieser schwierigen Lage nicht auf einen eigenen Kandidaten bestehen. Das sagte der SPD-Parteichef am Wochenende gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Die Koalitionäre gingen auf das Angebot nicht ein. Allerdings: Der Rückhalt für Wulff schwindet auch in den schwarz-gelben Reihen. Der Bundespräsident selbst gibt sich kämpferisch. Er bekräftigte seinen Willen im Amt zu bleiben.

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Auch die Grünen machten der Kanzlerin ein entsprechendes Angebot. Parteichefin Claudia Roth sagte am Sonntagabend in der ARD, es sei im Interesse aller, dass es in der Demokratie eine starke moralische Instanz gebe. Der wegen seiner Kredit- und Medienaffäre angeschlagene Bundespräsident liefere ein „bizarres Spektakel der Erosion von Werten und Anstand“, kritisierte Roth. Die Grünen-Chefin forderte, dass sich Merkel dazu äußere, wie Wulff angesichts der Affären im Amt bleiben könne. Die Kanzlerin dürfe sich nicht „aus dem Staub machen“, sondern müsse sich erklären. Die CDU reagierte verhalten. Unions-Fraktionschef Volker Kauder wies diese Angebote ebenfalls in der ARD zurück. Wulff bleibe im Amt, deshalb erübrigten sich alle Debatten, erklärte er.

Er betonte, es gebe keinen Grund, über die Neuwahl eines Bundespräsidenten nachzudenken. Christian Wulff habe Fehler eingeräumt, sich dafür entschuldigt und Transparenz geschaffen. „Damit hat er alle Chancen, Vertrauen zurückzugewinnen“, sagte Gröhe der „Süddeutschen Zeitung“. Auch ein Regierungssprecher betonte am Sonntag: „Zu Fragen, die sich nicht stellen, geben wir naturgemäß keine Stellungnahme ab.“

Kritik aus den Reihen der Koalition

Im „Spiegel“ beklagte aber auch Gröhe „Ungeschicklichkeiten und Fehler“ des Staatsoberhaupts. Allerdings verdiene Wulff eine Chance, Vertrauen wieder aufzubauen. Abgeordnete der Unions-Fraktion kritisierten Wulff deutlicher. „Mit der scheibchenweisen Aufklärung des Sachverhalts hat sich Christian Wulff keinen Gefallen getan“, sagte Marco Wanderwitz dem Magazin. Der CSU-Abgeordnete Georg Nüßlein beklagte, das Krisenmanagement sei „nicht professionell“.

Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Holger Zastrow forderte Wulff auf, Klarheit zu schaffen. Es sei irritierend, wie der Bundespräsident sich scheibchenweise der Wahrheit nähere, „wie er sich entschuldigt und noch mal entschuldigt“, sagte Zastrow der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.

Wulff steht seit Wochen wegen eines umstrittenen Privatkredits über 500.000 Euro in der Kritik. Zusätzlich unter Druck geriet der Bundespräsident, weil er versucht hatte, einen kritischen Bericht der „Bild“-Zeitung über den Kredit zu unterbinden. Wulff drohte bei seinem Anruf bei „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann dem Verlag mit strafrechtlichen Konsequenzen. Bei den Recherchen der Zeitung handle es sich um „eine unglaubliche Geschichte“, die „zum endgültigen Bruch“ mit dem Axel Springer Verlag führen würde, sagte Wulff demnach. Er forderte Diekmann auf, mit der Veröffentlichung zu warten, bis er von einer Auslandsreise an den Golf zurückgekehrt sei. Dann könne man entscheiden, „wie wir den Krieg führen“.

Zusätzlichen Einfluss versuchte Wulff mit einem weiteren Anruf bei Verlagschef Mathias Döpfner geltend zu machen. Ein Sprecher des Verlags bestätigte auf Nachfrage eine entsprechende Darstellung des „Spiegel“. Nach Angaben des Chefredakteurs der „Welt am Sonntag“, Jan-Eric Peters, soll Wulff auch schon in früheren Fällen beim Verlag interveniert haben.

Wulff gibt sich kämpferisch

Öffentlich stehen die Spitzen der Koalition dennoch weiterhin zum Staatsoberhaupt. Berichte über einen angeblichen Plan B für den Fall eines Rücktritts dementierten sie am Wochenende vehement. Merkel sehe keine Veranlassung, „über eine Nachfolge für den Bundespräsidenten zu sprechen“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. CSU-Chef Horst Seehofer sagte dapd, der Bericht sei „schlichtweg die Unwahrheit“. Und auch aus der FDP-Spitze verlautete, der Zeitungsbericht sei „kompletter Unfug“.

„Rheinische Post“ und „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ hatten zuvor berichtet, Merkel, Seehofer und Philipp Rösler (FDP) hätten sich bereits auf ein Verfahren zur Nominierung eines neuen Kandidaten geeinigt. Die Koalition sei auf der Suche nach einem Kandidaten, der auch für die Sozialdemokraten akzeptabel wäre. Namentlich genannt würden der frühere Umweltminister Klaus Töpfer, Bundestagspräsident Norbert Lammert (beide CDU) sowie Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne). Mit ungewöhnlichen Mitteln verlangten am Samstag Hunderte Demonstranten in Berlin den Rücktritt Wulffs. Nach Angaben der Veranstalter kamen zu der Aktion „Wulff den Schuh zeigen“ vor dem Schloss Bellevue rund 400 Teilnehmer zusammen, die Polizei sprach sogar von 450.

Am Freitag hatte sich Wulff noch zuversichtlich gezeigt, dass „dieses Stahlgewitter bald vorbei ist“. „In einem Jahr ist das alles vergessen“, sagte er nach Informationen der „Bild“-Zeitung bei dem Neujahrsempfang. Er versicherte, er wolle bis 2015 einen guten Job machen. Den zweiten Rücktritt nach Horst Köhlers Abgang im Mai 2010 wolle er dem Amt ersparen.