Medienberichten zufolge soll Bundespräsident Christian Wulff auch Springer-Chef Mathias Döpfner gedroht haben. 400 Menschen protestieren in Berlin.

Berlin. Es dringen immer weitere Details zur Veröffentlichung des Artikels über die Kreditaffäre von Bundespräsident Christian Wulff an die Öffentlichkeit. Nun soll einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" zufolge neben dem "Bild"-Chefredakteur" Kai Diekmann auch der Springer-Verlagschef Mathias Döpfner von Wulff angerufen und mit scharfen Worten bedroht worden sein. Auch bei dem Anruf bei Döpfner ginge es darum, die Veröffentlichung des Berichts über die Kreditaffäre von Christian Wulff zu verhindern. Wulff habe Döpfner bei dem Anruf zunächst nicht persönlich erreicht und auf dessen Mailbox eine Nachricht hinterlassen, schreibt "Der Spiegel" in seiner neuen Ausgabe. Diese sei in der Wortwahl ähnlich ausgefallen, wie gegenüber Bild-Chefredakteur Kai Diekmann.

Das Magazin berichtet unter Berufung auf Verlagskreise, Döpfner habe Wulff zurückgerufen und einen aufgebrachten Präsidenten am Telefon gehabt. Demnach sei Wulff sehr deutlich geworden. Wenn der Artikel über seinen Privatkredit erscheine, dann bedeute das Krieg zwischen dem Bundespräsidialamt und Springer bis zum Ende von Wulffs Amtszeit, werde das Staatsoberhaupt im Verlag zitiert.

Wulff hatte sich für den Anruf bei Diekmann öffentlich entschuldigt und ihn als schweren Fehler bewertet. Einen Anruf ähnlichen Inhalts auch bei Döpfner hatte der Präsident in einem Fernsehinterview am Mittwoch aber nicht erwähnt. Auch bestreitet Wulff mit seiner telefonischen Intervention am 12. Dezember die Berichterstattung über seinen Hauskredit verhindern haben zu wollen. Es sei ihm nur um eine Verschiebung um einen Tag gegangen, beteuerte Wulff in dem ARD/ZDF-Interview.

400 Demonstranten vor Schloss Bellevue: "Schuhe in die Höhe!"

"Der Spiegel“ zitiert auch weitere, bislang nicht öffentlich gewordene Aussagen auf der Handy-Mailbox Diekmanns. Mit Bezug auf die Recherchen von "Bild“ erkläre der Bundespräsident: "Ich habe alles offengelegt, Informationen gegeben, mit der Zusicherung, dass die nicht verwandt werden. Die werden jetzt indirekt verwandt, das heißt, ich werde auch Strafantrag stellen gegenüber Journalisten morgen, und die Anwälte sind beauftragt.“

Wulff frage Diekmann, warum "Bild“ nicht akzeptieren könne, "wenn das Staatsoberhaupt im Ausland ist, zu warten, bis ich Dienstagabend wiederkomme, also morgen, und Mittwoch eine Besprechung zu machen, wo ich mit Herrn ... den Redakteuren rede, wenn Sie möchten, die Dinge erörtere, und dann können wir entscheiden, wie wir die Dinge sehen, und dann können wir entscheiden, wie wir den Krieg führen.“

Linkspartei denkt an Amtsenthebungsverfahren

Dem "Spiegel“ liegt die Mitschrift des Bandes nach eigener Darstellung vor. Das Bundespräsidialamt hatte einen Kommentar zum Inhalt der Telefonate bislang stets mit dem Hinweis abgelehnt, man äußere sich nicht über Telefongespräche oder Vieraugen-Gespräche.

Unterdessen berichten verschiedene Medien, es gebe bereits einen Plan für die Nachfolge von Christian Wulff. Angeblich sollen sich die Koalitionspartner bereits auf ein Prozedere für den Fall verständigt haben, dass der Bundespräsident sein Amt niederlegt. Entsprechende Medienberichte dementierten die Parteispitzen allerdings umgehend, auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wies die Darstellung am Sonnabend zurück. Unterdessen wächst die Kritik auch innerhalb der Regierungskoalition. SPD und Grüne drängten die Kanzlerin zu einem Machtwort. Der Linke-Politiker Wolfgang Neskovic hält sogar Amtsenthebungsverfahren für möglich.

Wie die "Rheinische Post“ und die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ berichteten, haben sich die Parteichefs der schwarz-gelben Koalition, Merkel, Philipp Rösler (FDP) und Horst Seehofer (CSU) bereits auf ein Verfahren zur Nominierung eines neuen Kandidaten geeinigt.

Die Koalition sei auf der Suche nach einem Kandidaten, der auch für die Sozialdemokraten akzeptabel wäre. Namentlich genannt würden der frühere Umweltminister Klaus Töpfer oder Bundestagspräsident Norbert Lammert (beide CDU), berichtete die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“. Nach Informationen der "Rheinischen Post“ ist auch Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) im Gespräch.

Die Spitzen von Union und FDP dementierten umgehend die Existenz eines solchen Plans. Die Kanzlerin sehe keine Veranlassung, "über eine Nachfolge für den Bundespräsidenten zu sprechen“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. CSU-Chef Horst Seehofer sagte, der Bericht sei "schlichtweg die Unwahrheit“. Und auch aus der FDP-Spitze verlautete, der Zeitungsbericht sei "kompletter Unfug“.

Dennoch wächst auch in der Regierungskoalition die Kritik an dem Bundespräsidenten. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe beklagte in einem "Spiegel“-Interview "Ungeschicklichkeiten und Fehler“ des Staatsoberhaupts. Wulff verdiene aber eine Chance, Vertrauen wieder aufzubauen. Auch Abgeordnete der Unions-Fraktion kritisierten Wulff. "Mit der scheibchenweisen Aufklärung des Sachverhalts hat sich Christian Wulff keinen Gefallen getan“, sagte Marco Wanderwitz dem Magazin. Der CSU-Abgeordnete Georg Nüßlein beklagte, das Krisenmanagement sei "nicht professionell“.

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier verlangte von Merkel ein Machtwort. Statt "laue Erklärungen zur Rückendeckung“ abzugeben, müsse sich Merkel endlich zu der Bewertung durchringen, "ob die Präsidentschaft Wulff für weitere dreieinhalb Jahre trägt“, sagte Steinmeier dem "Tagesspiegel am Sonntag“. Grünen-Chef Cem Özdemir wies Merkel eine Mitverantwortung in der Affäre zu.

Der Linke-Politiker Neskovic hält sogar einen erzwungenen Rücktritt Wulffs für möglich. Wenn sein umstrittener Drohanruf bei der "Bild“-Zeitung den Tatbestand der versuchten Nötigung erfülle, könne ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet werden, sagte der frühere Bundesrichter der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.

Nach Agentur-Informationen drohte Wulff bei seinem Anruf bei "Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann dem Verlag mit strafrechtlichen Konsequenzen. Bei den Recherchen der Zeitung handle es sich um "eine unglaubliche Geschichte“, die "zum endgültigen Bruch“ mit dem Axel-Springer-Verlag führen würde, sagte Wulff. Wie der "Spiegel“ vorab berichtete, soll Wulff auch Verlagschef Mathias Döpfner in einem Telefonat mit Konsequenzen gedroht haben.

Mit ungewöhnlichen Mitteln verlangten am Sonnabend Hunderte Demonstranten in Berlin den Rücktritt Wulffs. Nach Angaben der Veranstalter kamen zu der Aktion "Wulff den Schuh zeigen“ vor dem Schloss Bellevue rund 400 Teilnehmer zusammen, die Polizei sprach sogar von 450.

Von Nicole Scharfschwerdt mit Material von Reuters