Ohne Krawatte und per Linienflug schlägt der Linken-Politiker bei Kanzlerin Angela Merkel auf. Sein Flugticket zahlen die Deutschen.

Berlin/Athen. Der Mann kommt ohne Krawatte, dafür mit leeren Taschen. Er hat seine Gastgeber beschimpft und fordert doch Milliarden von ihnen. Wenn schon nicht als Solidarität des wirtschaftsgewaltigsten EU-Landes für das kriselnde Griechenland, dann wenigstens als späte Reparationen für erlittenes Leid durch die Nazis im Zweiten Weltkrieg. Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras wird bei seinem ersten offiziellen Berlin-Besuch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an diesem Montag höflicher empfangen, als er und vor allem sein Finanzminister Giannis Varoufakis sich zuletzt gerierten. Da war die Stinkefinger-Affäre überhaupt nur der Zuckerguss auf eine verdorbene Beziehung zwischen griechischem und deutschem Politpersonal.

Nach Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) erhöht nun auch die SPD den Druck auf die griechische Regierung. Griechenland müsse klar seinen Reformwillen bekunden, sagte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann am Sonntag „Spiegel-Online“. „Tsipras hat angekündigt, eine vollständige Liste präziser Reformen vorzulegen. Ich erwarte, dass er diese Liste beim Gespräch mit Kanzlerin (Angela) Merkel am Montag vorlegt“, ergänzte Oppermann. „Ich will endlich wissen, ob Griechenland zu echten Reformen bereit ist oder nicht.“ Auch eine Zustimmung zu einem möglichen dritten Hilfspaket knüpfte Oppermann an Bedingungen.

Die griechische Regierung hatte zugestimmt, der EU-Kommission, dem Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank konkrete Reformvorschläge vorzulegen. Nach einer Prüfung könnten weitere Finanzmittel des zweiten Hilfspakets der Euro-Partner an das klamme Euro-Land fließen. Kurz vor dem Besuch des griechischen Regierungschefs Tsipras sind neue Details über die schwierige Finanzlage des Landes bekannt geworden. Die EU-Kommission gehe davon aus, dass Athen noch bis zum 8. April über genügend Geld zur Begleichung seiner finanziellen Verpflichtungen verfüge, berichtete die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“.

Noch zwei Wochen – dann geht Athen das Geld aus

Laut internen Berechnungen der EU-Kommission könne Griechenland Löhne und Gehälter zum Monatsende voll auszahlen, schrieb die Zeitung unter Berufung auf Diplomaten. Vom 9. April an werde die finanzielle Situation als „kritisch“ eingestuft. Das Land muss dann eine Kredittranche in Höhe von 467 Millionen Euro an den Internationalen Währungsfonds zurückzahlen. Mitte April müssen zudem kurzfristige Staatsanleihen im Wert von 2,4 Milliarden Euro refinanziert werden.

Heikel bleibt die Reparationsfrage. Zuletzt zeigte sich das Auswärtige Amt offen für die Idee, den deutsch-griechischen Zukunftsfonds aufzustocken, der die Versöhnung zwischen beiden Ländern fördern soll. Eine solche Geste könnte das spannungsgeladene Thema entschärfen.

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) schloss ein drittes Hilfspaket für Griechenland für den Moment aus. „Wir denken an keine weiteren Programme“, sagte er dem „Handelsblatt“ (Montagsausgabe) und forderte ebenfalls Reformzusagen. Athen müsse sich vor allem „noch mehr anstrengen“, um fällige Steuern einzutreiben.

Griechen verhandeln mit Schweiz über Steuerflüchtlinge

Aus der Schweiz wurde indes bekannt, dass Griechenland Verhandlungen über den Umgang mit dort gelagertem unversteuertem Geld aufnehmen will. Der für internationale Finanzfragen zuständige Staatssekretär Jacques de Watteville werde in der kommenden Woche zu Gesprächen nach Athen reisen, sagte ein Sprecher des Finanzministeriums in Bern.

Wie die Schweizer Zeitung „Tages-Anzeiger“ berichtete, horten griechische Bürger insgesamt 1,5 Milliarden Franken (1,4 Milliarden Euro) auf Schweizer Bankkonten. Ein Teil dieses Gelds ist demnach unversteuert. Der Ministeriumssprecher wollte die Summe allerdings nicht bestätigen. Am späten Freitag stimmte das griechische Parlament einem Gesetz zu, das Bürgern und Unternehmern in Finanznot eine Stundung und zugleich einen Teilerlass von Steuerschulden gewährt.

Alexis Tsipras kommt angeblich mit einer Linienmaschine nach Berlin. Aber sonst wird fast alles anders sein als bei seinem letzten besuch, als er bei einer Veranstaltung der Linken auftrat. Als Regierungschef wird er mit einer Ehren-Eskorte aus fünf Polizeimotorrädern in Tegel abgeholt und zu Merkel gebracht. Nach einer gemeinsamen Pressekonferenz bleibt er noch zum Abendessen. Die Nacht verbringt er im Hotel. Die Kosten für Transport und Übernachtung werden übrigens vom deutschen Staat übernommen. Das ist aber keine Ausnahme oder geschweige denn Sonderhilfe für die Griechen, sondern international so üblich.

Hat Merkel Tsipras wegen eines Interviews eingeladen?

Das Treffen mit der Kanzlerin ist für Tspiras bereits das dritte. Bis Januar waren die beiden Gegenspieler und sahen sich nie. Seither gab es aber schon zwei Treffen in Brüssel, zuletzt am Freitag. Bekannt gemacht wurde der Berlin-Termin zu Beginn der Woche. Das war, nachdem Tsipras in einem „Spiegel“-Interview öffentlich bekundet hatte: „Wenn ich eine Einladung von der Kanzlerin bekäme, würde ich sie sofort annehmen.“

Bei der Gelegenheit berichtete der Chef einer Regierung aus radikaler Linken und Rechtspopulisten dann auch von einer „guten Beziehung, einer guten Chemie“ zwischen Merkel und ihm. Was ihn allerdings keineswegs daran hindert, seine Vorgänger von den Konservativen und Sozialisten weiterhin als „Merkelisten“ zu schmähen, die alle Spardiktate unterzeichnet hätten, ohne jemals eine einzige Frage zu stellen.