Athen/Berlin. Im Schuldendrama stehen mal wieder die Hardliner auf der Bühne. Eitelkeit und Populismus statt Kompromiss.

Die Homestory ist ein schmaler Grat. Unangefochten in dieser Disziplin führt noch immer Rudolf Scharping. Der damalige Bundesverteidigungsminister turtelte einst mit seiner Freundin und heutigen Frau, einer Gräfin, auf Mallorca verliebt im Pool – während seine Soldaten eine Auslandsmission vor Augen hatten. Als die Fotos erschienen, war Scharpings Karriere im Eimer. In eine ähnliche, wenn auch nicht ganz so dramatische Lage hat sich nun Giannis Varoufakis bugsiert.

Der griechische Finanzminister, seit Wochen weltweit populärer Coverboy im Hellas-Drama, hat Mist gebaut. Ein paar Tage ist es her, da holt sich Varoufakis Reporter und Fotografen des französischen Promi-Magazins „Paris Match“ in sein Penthouse. Beste Athener Lage, Blick auf die Akropolis. Dazu die attraktive Gattin, ein Glas Wein und leckere Speisen – für die vielen Arbeitslosen in Griechenland dürften diese Bilder eine Provokation sein.

Am Sonntag rudert der smarte Varoufakis zurück: „Ich bereue es“, sagt er im griechischen Fernsehen. Er habe mitgespielt, weil der Begleittext für sein Land so positiv gewesen sei. Der Fauxpas dürfte ins Bild passen, das die Euro-Finanzminister sich längst von dem hemdsärmeligen Ökonomen, Blogger und Autor gemacht haben. Viel Show, wenig Substanz, viele gebrochene Versprechen.

Griechische Medien haben nachgezählt. Mindestens 40 Interviews gab Varoufakis binnen eines Monats. Geht es um Details, lautet seine Lieblingsantwort: „Lassen Sie uns nicht zu technisch werden.“ Das treibt nach Angaben von Augenzeugen seine Amtskollegen, allen voran Wolfgang Schäuble, „in den Wahnsinn“. Statt Zahlen hören sie Vorträge. „Es ist, als ob ein Arzt seinem Patienten ständig erklärt, wie seine Krankheit entstanden ist – aber nie, wie er sie heilen will“, sagt ein mit den Verhandlungen vertrauter Mitarbeiter des Finanzministeriums in Athen.

Noch braucht Premier Alexis Tsipras den „Rocker“ Varoufakis. Er soll die sich anbahnende Wende, weg von Wahlversprechen und hin zu mehr Sparen, der Welt in perfektem Englisch und bewusster Dosierung verabreichen. Der Macher in Sachen Finanzpolitik ist ohnehin Vizeregierungschef Giannis Dragasakis. Ein besonnener Ökonom, der weiß, dass Athen am Ende wird nachgeben müssen.

„Wir fahren mit Vollgas gegen die Wand“

Noch aber sind die Hardliner am Drücker – allen voran Panos Kammenos. Der Rechtspopulist, Chef der Unabhängigen Griechen und damit Juniorpartner in Tsipras’ Links-rechts-Koalition, rührt im „Bild“-Interview einen giftigen Cocktail zusammen, von Schäubles Verwicklung in die CDU-Parteispendenaffäre bis zu Hunderttausenden Flüchtlingen, die er losschicken will, wenn Berlin gerade bei den umstrittenen Weltkriegs-Reparationen nicht spurt. Viele griechische Diplomaten sind fassungslos. „Wir fahren mit Vollgas gegen die Wand“, heißt es. Das Verhältnis zwischen Athen und Berlin sei so schlecht wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Wer an diesem Wochenende die griechischen Sonntagszeitungen aufschlägt, glaubt, eine kriegerische Auseinandersetzung stehe bevor. „Die Schlacht um Berlin“, lautet der Tenor der Traditionszeitung „To Vima“.

Andere Kommentatoren rufen zur Mäßigung auf. Die Rückgriffe in die Nazi-Zeit seien gefährlich. Athen und Berlin dürften den weltpolitischen Blick nicht verlieren. Eine Eskalation des Schuldenstreits mit einem Euro-Austritt Griechenlands würde nicht nur Populisten in Spanien und Frankreich, sondern auch dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in die Hände spielen: „Er wartet auf die Amputation des Fußes der EU im Südosten Europas“, meint ein Diplomat in Athen.

Viele Gerüchte kursieren, bis zur Vermutung, der linke Flügel der Regierungspartei Syriza und die Rechtspopulisten wollten den Bruch mit Europa provozieren, um zur alten Währung Drachme zurückzukehren. Damit wären aber jeder Fortschritt und die Hoffnung, aus Griechenland ein modernes Land zu machen, zunichte.

Während in Berlin sich niemand von Kammenos & Co. provozieren ließ, juckte es in Brüssel Martin Schulz in den Fingern. Der Sozialdemokrat und EU-Parlamentschef knöpfte sich Kammenos vor („Elefant im Porzellanladen“) und berichtete von Tsipras’ Eingeständnis, dass Ende März die Kassen leer sein dürften. Schäuble, der am Wochenende in seinem Offenburger Wahlkreis unterwegs war, will jetzt auf belastbare Zahlen der Ex-Troika-Prüfer warten, die in Athen einen Kassensturz machen. Eine Milliardenlücke wäre keine Überraschung, weil die griechischen Steuereinnahmen zuletzt zweistellig eingebrochen waren.

Dabei könnte Athen sich auch selbst helfen. Es lässt sich Steuernachzahlungen auf Milliardenvermögen griechischer Bürger in der Schweiz entgehen. Wie die „Welt“ am Sonntag berichtete, liegt schon seit Februar 2014 ein Angebot des Schweizer Staatssekretariats für internationale Finanzfragen vor, dieses Geld aufzuspüren und nach Athen zu überweisen. Varoufakis und auch seine Vorgänger hätten sich aber nie gemeldet, wie die Behörde bestätigt habe. Nach Statistiken der Schweizer Notenbank sind rund 800 Milliarden Euro griechisches Vermögen in der Schweiz. Ein großer Teil der Zinseinnahmen auf dieses Geld dürfte unversteuert geblieben sein.