Athen. Alexis Tsipras will seine Regierungspartei beruhigen – und einen Schuldenschnitt. Seitenhieb auf Bundesfinanzminister Schäuble.

Beobachter der Politik in der griechischen Hauptstadt wussten es schon seit Wochen: Die neue Links-Rechts-Regierung will alles riskieren, um die weitere Finanzierung durch die Geldgeber zu sichern. Nun geht es wieder einmal um Forderungen an Deutschland nach Reparationen für den Zweiten Weltkrieg. Ein Parlamentsausschuss soll prüfen, wie hoch diese sein sollen. Eine Idee von der Summe hat man schon: nach griechischen Berechnungen bis zu 332 Milliarden Euro. Die Bundesregierung sieht die Entschädigungsfrage allerdings als erledigt an. Der Streit erreicht einen neuen Höhepunkt und birgt die Gefahr, einen tiefen Graben zwischen Athen und Berlin aufzureißen.

Der griechische Justizminister droht jetzt damit, dem deutschen Staat gehörende Grundstücke und Gebäude zu pfänden, falls es keine Einigung gibt: das Goethe-Institut in Athen, das traditionsreiche Deutsche Archäologische Institut sowie die Deutschen Schulen in Athen und Thessaloniki.

Regierungschef Alexis Tsipras verband am Dienstag in seiner Rede vor dem Parlament die griechischen Reparationsforderungen mit der Haltung Berlins und den Schulden seines Landes wegen der Hilfsprogramme. Deutschland habe nach dem Ersten Weltkrieg schwere Lasten getragen. Das habe zum Nationalsozialismus geführt, so Tsipras. Nach dem Zweiten Weltkrieg sei anders mit Deutschland umgegangen worden, dem Land sei unter die Arme gegriffen worden. Mit einem Schuldenschnitt sei die Basis für den Aufschwung Deutschlands gelegt worden, sagte Tsipras – und griff damit direkt die griechische Forderung nach einem Schuldenschnitt auf. Die deutschen Regierungen sperrten sich aber mit „juristischen Tricks“, um nicht mit Athen über Reparationen reden zu müssen, sagte er.

Tsipras mit Seitenhieb auf Schäuble

Zur Haltung des Bundesfinanzministers sagte Tsipras, ohne Wolfgang Schäuble beim Namen zu nennen: „Wir geben keinen Ethik-Unterricht, und wir akzeptieren auch keinen.“ Griechenland werde alle seine Verpflichtungen erfüllen. Manche aber „ermahnen den Sünder mit erhobenem Zeigefinger“. Das erinnere an Jesus, der sagte: „Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht?“

Wer mit dem Jargon der regierenden Linkspartei Syriza vertraut ist, geht nun von zwei von der Tsipras-Regierung angestrebten Zielen aus. Einerseits wolle der Regierungschef den linken Flügel seiner Partei zufriedenstellen, indem er das Thema Reparationen wieder öffnet. Wenn andere die Schuld daran haben, dass Griechenland da steht, wo es sich heute befindet, weil sie keine Reparationen gezahlt haben, dann könne das vom kleinen Mann leicht geschluckt werden.

Andererseits strebe Tsipras eine Art Tausch an: Schuldenschnitt für Deutschland im Jahr 1953 gegen einen Schuldenschnitt für Griechenland 2015. Aufschwung durch Wachstum in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg – Aufschwung für Griechenland nach den Fehlern in Zeiten des süßen Lebens der vergangenen Jahrzehnte.

Griechische Opposition warnt Tsipras

Die Opposition warnte Tsipras. Es sei nicht richtig, die „gerechte Forderung“ nach Reparationen mit dem anderen Thema der aktuellen Finanzprobleme Griechenlands zu verbinden, sagte der Chef der Sozialisten im Parlament, Evangelos Venizelos. „Das wird uns in die Sackgasse führen.“ Die Konservativen raten Tsipras schon lange, er solle das Spar- und Konsolidierungsprogramm umsetzen. Nur so werde das Land aus der Krise herauskommen.

Nach einer Studie zu Reparationen sind die Forderungen Athens schwindelerregend. Die Zeitung „To Vima“ veröffentlichte das Papier. Die Ansprüche werden darin auf 269 bis 332 Milliarden Euro taxiert. Damit wäre Griechenland seinen Schuldenberg von 320 Milliarden Euro auf einen Schlag los.


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