Brüssel/Athen. Bislang ging Europa davon aus, dass Griechenland an Reformen arbeitet. Doch die Tsipras-Regierung will vor allem ihre Wahlversprechen umsetzen

Trotz akuter Pleitegefahr hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Griechenlands Hoffnungen auf schnelles Geld der Euro-Partner gedämpft. „Erwarten Sie keine Lösung, erwarten Sie keinen Durchbruch“, sagt sie am Donnerstag vor dem Spitzentreffen am Rande des EU-Gipfels in Brüssel. Entscheidungen würden in der Euro-Gruppe auf Basis der Vereinbarung vom 20. Februar gefällt. „Und dabei bleibt es auch.“

Merkel bekundet zwar die Bereitschaft zu Hilfen, forderte von Griechenland aber im Gegenzug zu europäischer Solidarität Eigenanstrengungen. Alle Beteiligten müssten sich an Vereinbarungen halten. „Es ist natürlich völlig klar, dass eine Lösung für Griechenlands Probleme schon heute Abend in Brüssel oder Montagabend niemand erwarten kann“, sagt zuvor Merkel im Bundestag in Anspielung auf den Tsipras-Besuch in Berlin am Montag. „Kein Treffen in kleinem Kreis kann oder wird die Einigung auf Vorschlag der Institutionen IWF, EZB und EU-Kommission in der Euro-Gruppe ersetzen“, meint sie.

Die griechische Regierung räumt unterdessen ein akutes Liquiditätsproblem ein. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz spricht von zwei bis drei Milliarden Euro, die Griechenland kurzfristig brauche, um eine Pleite abzuwenden. Am Freitag wird eine weitere Rückzahlung an den IWF fällig. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat Bankenkreisen zufolge den Geldhahn für die griechischen Banken etwas weiter geöffnet, um Schlimmeres abzuwenden. Die EZB werde aber keine Brückenfinanzierung für Griechenland bereitstellen, betont ein Insider.

Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras gibt in Brüssel zunächst nur eine kurze Erklärung ab. Die EU brauche mehr politische Initiativen, die sowohl die Demokratie als auch die EU-Verträge respektierten, um die Krise hinter sich zu lassen und zu Wachstum zurückzukehren, sagt er. Sein Stellvertreter Giannis Dragasakis sagt im griechischen Fernsehen: „Um unseren Verpflichtungen nachzukommen, brauchen wir die gute Kooperation der europäischen Institutionen.“

Allerdings waren Gespräche zwischen der Regierung in Athen mit der EU-Kommission, der EZB und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) bei einer Telefonkonferenz am Dienstag zum Stillstand gekommen, Vorgesehen war, dass die Troika-Beobachter über Fortschritte bei den neuen Reformplänen in Griechenland referieren würden. Doch schon an diesem Punkt hakt es. Denn die Vertreter von IWF, EU-Kommission und EZB können nicht viel mehr erzählen, als dass sie immer noch nur in einem Hotel in Athen arbeiten dürften. Nicht im griechischen Finanzministerium wie unter früheren Regierungen. Schlimmer noch: In den vergangenen Wochen haben die Griechen nicht nur die Kooperation erschwert. Sie haben sich geweigert, Reformpläne vorzulegen.

Athen kämpft mit harten Bandagen. Der Vertreter des griechischen Finanzministers in der Runde ist der Nächste, der sprechen soll. Er macht es kurz. An dieser Stelle hätten die Gespräche keinen Sinn mehr, gibt er zu Protokoll. Ab jetzt seien nur noch Gespräche auf höchster Ebene möglich. Das heißt mit der Bundeskanzlerin, dem französischen Präsidenten, dem Euro-Gruppen-Chef, dem EU-Kommissionschef, dem Präsidenten der EZB. Schweigend nehmen seine Kollegen das Ganze zur Kenntnis. Dann wird die Telefonkonferenz beendet. „Seitdem gab es keinen Kontakt mehr mit dem Vertreter Athens“, sagt einer der Verhandlungsteilnehmer.

„Mein Eindruck ist, es war von Anfang an der Plan der griechischen Regierung, das alte Programm nie zu akzeptieren“, sagt ein Brüsseler Teilnehmer. „Die Regierung von Alexis Tsipras wollte von Anfang an etwas komplett Neues.“ Die Links-rechts-Regierung habe zwar zähneknirschend die Erklärung der Euro-Gruppe vom 20. Februar akzeptiert. Darin ging es wesentlich um weitere Reformen. „Umsetzen aber wollten sie diese wohl nie ernsthaft.“ Für das Verhalten gibt es vermutlich eine einfache Erklärung. Nur hört sie niemand außerhalb Griechenlands gern. Die linksradikale Protestbewegung Syriza ist gewählt worden, weil Teile des Mittelstandes in Griechenland rasant verarmen.

Die von der Krise gebeutelten Bürger wollten das Troika-Reformprogramm nicht mehr, weil sie dessen Auflagen für ihre schlechte wirtschaftliche Lage verantwortlich machen, nicht jedoch all die Jahre zuvor, in denen das Land weit über seine Verhältnisse lebte. Und Syriza, will diesen Wunsch der Wähler nun umsetzen. Und sie haben auch einen Plan, wie sie die Europäer dazu zwingen wollen. Die Leute um Tsipras glauben, dass man die Euro-Zone am Ende mit dem Hinweis auf die geopolitische Bedeutung Griechenlands zum Einlenken bewegen kann.

Besonders in der Union ist die Unruhe groß. „Griechenland muss das laufende Hilfsprogramm ordentlich zu Ende bringen und die geltenden Vereinbarungen mit der Euro-Gruppe und dem IWF erfüllen. Diese Bedingung ist nicht verhandelbar“, sagt Eckhardt Rehberg, haushaltspolitischer Sprecher der Union. „Die griechische Regierung muss nun endlich anfangen zu arbeiten.“