SPD-Abgeordnete wollen die Rede im Bundestag boykottieren. Die Grünen sind gespalten. Hoffnung für den Papst spenden ausgerechnet die Muslime.

Berlin/Hamburg. Ein möglicher Terroranschlag, eine verbotene Demonstration, Aufregung um das „Wort zum Sonntag“ und die Rede im Bundestag: Der Besuch des deutschen Papstes Benedikt XVI. in seiner Heimat in Berlin, in Thüringen und in Freiburg steht unter keinem guten Stern. In zwei Wochen wird das Oberhaupt der katholischen Kirche in Deutschland um Staatsbesuch erwartet. Doch die Kritiker und Anwälte von Benedikt, dem geborenen Theologen Joseph Ratzinger, liefern sich bereits Debatten und beinahe handfeste Auseinandersetzungen.

Die Präses der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt, hat sich vom Buch „Unter Ketzern“ des evangelischen Publizisten Arnd Brummer distanziert. Das Werk hatte für Irritationen in den Beziehungen zwischen Protestanten und Katholiken gesorgt. „Das Bild, das Herr Brummer zeichnet, ist nicht das Bild, das ich von der katholischen Kirche heute habe“, sagte die Bundestagesvizepräsidentin der „Rheinischen Post“. „Es ist ein sehr altes, sehr persönliches Bild.“

Von der Veröffentlichung über Brummers Buch im evangelischen Monatsmagazin „Chrismon“ habe sie vorab nichts gewusst, sagte Göring-Eckardt, die ebenso wie der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, zu den Herausgebern von „Chrismon“ zählt. Göring-Eckhardt verteidigte aber die Pressefreiheit. „Die evangelische Publizistik ist frei, und das soll auch so bleiben“, betonte sie. „Als Ostdeutsche bin ich dafür auf die Straße gegangen, dass es Pressefreiheit gibt.“

Auch Brummer hatte im klargestellt, es handele es sich bei dem Buch nicht um ein interkonfessionelles Manifest, sondern um eine autobiografische Äußerung verbunden mit einem „Liebesbekenntnis zu meiner Kirche“. Der „Chrismon“-Chefredakteur war Anfang der 90er-Jahre von der katholischen zur evangelischen Kirche konvertiert.

Unter den kirchenkritischen Abgeordneten wächst der Unmut über den Papst-Besuch. Der SPD-Politiker Rolf Schwanitz und der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, betonten, dass die weltanschauliche Neutralität des Staates mit der Rede eines religiösen Oberhauptes im Bundestag schwer zu vereinbaren sei. Schwanitz hofft, dass mindestens jeder dritte sozialdemokratische Parlamentarier dem Auftritt Papst Benedikt XVI. am 22. September fernbleiben wird.

Der Bundestag sei „weder ein Ort der religiösen Missionierung noch eine Kirche“, sagte Schwanitz der „Leipziger Volkszeitung“. Als „unvereinbar mit der Demokratie“ bezeichnete der SPD-Politiker die vatikanische Staats- und Organisationspraxis. Der Papst sei der „letzte absolute Monarch in Europa“.

Nach Informationen der Zeitung will die SPD-Fraktionsführung mit der Einladung von ehemaligen Abgeordneten die Parlamentarierreihen auffüllen, um den Eindruck des sichtbaren Protestes zu vermeiden. Um den Bedarf zu ermitteln, habe SPD-Fraktionsgeschäftsführer Christian Lange am Donnerstag eine verbindliche schriftliche Anwesenheitsumfrage unter den aktiven SPD-Parlamentariern gestartet.

Der Grünen-Politiker Volker Beck unterstrich, dass der Papst in erster Linie ein Religionsführer sei. „Die religiöse und weltanschauliche Neutralität des Staates und des Bundestages wirft die Frage auf, wen wir dann als nächstes einladen“, sagte er der „Berliner Zeitung“. Da der Bundestag aber entschieden habe, den Papst einzuladen, „gehen wir selbstverständlich hin und behandeln ihn als Gast mit dem gebührenden Respekt“, fügte Beck hinzu. Er habe kein grundsätzliches Problem mit Religionsgemeinschaften, „aber durchaus mit der aktuellen Ausrichtung der katholischen Kirche, an der Herr Ratzinger als Vorsitzender der Glaubenskongregation und nun als Papst Benedikt XVI. maßgeblich mitgewirkt hat, insbesondere was die Öffnung zu konservativen und fundamentalistischen katholischen Gruppierungen wie den Piusbrüdern, dem Engelwerk oder den Legionären Christi betrifft.“

Das Bündnis „Der Papst kommt“ darf seine Demonstration gegen den Besuch von Benedikt XVI. in Berlin nicht am Brandenburger Tor beginnen. Die Versammlungsbehörde habe als Alternative für den Start den Potsdamer Platz vorgeschlagen, sagte ein Polizeisprecher. Als Grund für die versagte Genehmigung führte er Kapazitäts- und Sicherheitsgründe an.

Der Veranstalter rechne bei der Veranstaltung zum Papstbesuch am 22. September mit rund 20.000 Teilnehmern. Auf den Platz des 18. März am Brandenburger Tor passten aber nur 16.000 Menschen. Das Bündnis „Der Papst kommt“ will zum Papstbesuch unter anderem gegen die Sexualmoral der katholischen Kirche protestieren. Die Demonstration soll zeitgleich zur Rede des Papstes im Bundestag stattfinden.

Der Vorsitzende des Islamrats für die Bundesrepublik, Ali Kizilkaya, hofft auf ein „positives Signal“ für das Verhältnis von Muslimen und Christen durch den Besuch des Papstes in Deutschland. Kizilkaya sagte der Nachrichtenagentur dapd, notwendig sei ein verstärkter Dialog zwischen den Religionen. Allerdings müsse dies „auf Augenhöhe“ und mit gegenseitigem Respekt geschehen. Kizilkaya betonte, der Papst-Besuch könne auch einen Beitrag gegen die „zunehmenden Säkularisierungs-Tendenzen“ in der Gesellschaft leisten. So könne dadurch das Selbstbewusstsein von Gläubigen gestärkt werden. Außerdem könne bei nichtgläubigen Menschen mehr Verständnis für Religionen geweckt werden.

Kardinal Joachim Meisner erwartet von Papst Benedikt XVI. bei dessen Deutschlandbesuch eine kompromisslose Verkündigung des christlichen Glaubens. In einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sagte der Kölner Erzbischof, der Papst solle „die Botschaft ja nicht verdünnen“, um eventuell auch jenen zu gefallen, die der Kirche kritisch gegenüber stehen. „Er muss die ganze Botschaft verkünden, so wie Jesus“, sagte Meisner. Er sei zuversichtlich, dass der Papst in Deutschland die Wahrheit und die Schönheit des Evangeliums verkünden werde; das sei seine besondere Gabe. (abendblatt.de/epd/dapd/KNA)