Regierungstreue Heckenschützen haben am Sonntag von einer Straßenüberführung im Stadtzentrum aus auf die Aufständischen gefeuert.

Sawija/Lampedusa. Die libyschen Rebellen haben sich einen Tag nach ihrem Vorstoß auf die strategisch wichtige Küstenstadt Sawija erneut heftige Gefechte mit Truppen des Machthabers Muammar al Gaddafi geliefert. Regierungstreue Heckenschützen hätten am Sonntag von einer Straßenüberführung im Stadtzentrum aus auf die Aufständischen gefeuert, berichtete ein Reporter der Nachrichtenagentur AP. Vereinzelt sei lautes Krachen zu hören gewesen. Über den Vororten der 50 Kilometer von Tripolis entfernten Stadt stieg den Angaben zufolge schwarzer Rauch auf.

Zuvor hatte ein Rebellensprecher erklärt, dass die Regimegegner seit Sonnabendabend den Großteil Sawijas dominierten. Die Aufständischen kontrollieren damit auch die Hauptstraße von der Hauptstadt Tripolis zur tunesischen Grenze. Regierungssprecher Ibrahim Mussa wies die Angaben zurück. «Tripolis ist sicher. Selbst wenn die bewaffneten Banden Fortschritte machen sollten, dann nur vorübergehend unter dem Schutz der NATO», sagte Mussa im staatlichen Fernsehen.

Am Samstag hatte eine Einheit aus 200 Aufständischen zunächst eine Brücke in einem Vorort Sawijas erreicht. Andere Rebellen stießen weiter in die Innenstadt vor. Ein Reporter der Nachrichtenagentur AP sah, wie hunderte Anwohner die Rebellen in den Straße begrüßten und «Gott ist groß» riefen. Am Minarett einer Moschee wurde die Flagge des Gaddafi-Regimes durch die der Opposition ausgetauscht.

Während des Gegenangriffs der Regierungstruppen am Sonntag war schweres Geschützfeuer zu hören. «Es wird von allen Seiten geschossen», sagte der Rebellenkämpfer Ibrahim Akram. «Die Menschen schließen sich uns an. Die schweren Kämpfe dauern an, aber Gott sei Dank sind wir Viele.» Zu Beginn der Proteste gegen Gaddafi im Februar hatten sich die Bewohner von Sawija gegen die Regierung in Tripolis aufgelehnt. Im März belagerten die Regierungstruppen jedoch die Stadt und schlugen den Aufstand nieder.

Angesichts der angespannten Lage in Sawija errichteten die Rebellen zahlreiche Kontrollposten entlang der Zufahrtsstraße in Richtung Westen. In einer anderen Gegend der Stadt wurden unterdessen acht aus Ländern südlich der Sahara stammende Männer festgenommen, die von Anwohnern offenbar für Söldner gehalten wurden. Die Rebellen brachten die Afrikaner in ein örtliches Geheimdienstgebäude.

Einer der Inhaftierten, Paul Joseph, erklärte, er habe in Sawija gearbeitet und sei in seiner Wohnung von den Aufständischen festgenommen worden. «Ich habe meine im siebten Monat schwangere Frau dort zurücklassen müssen», erklärte der Nigerianer. «Wir haben versucht, Sawija zu verlassen, schafften es aber nicht.»

Südlich von Sawija griffen Kampfflugzeuge der NATO unterdessen offenbar versehentlich einen Panzer an, den die Rebellen von den Regierungssoldaten erobert hatten. Vier Kämpfer kamen dabei nach Angaben der Aufständischen ums Leben.

Bereits am Sonnabend kämpften die libyschen Rebellen um die Vorherrschaft über die Stadt Gharjan. Zunächst verkündeten die Rebellen die Einnahme der 80 Kilometer südlich von Tripolis gelegenen Stadt. Die Aufständischen seien nach vierstündigen Kämpfen ins Zentrum eingerückt, die Regierungstruppen hätten sich zurückgezogen, sagte Rebellensprecher Gomma Ibrahim. Wenige Stunden später seien die regierungstreuen Soldaten aber mit Verstärkung zurückgekehrt, und die Kämpfe seien neu aufgeflammt. Von unabhängiger Seite konnten die Angaben nicht überprüft werden. Gharjan befindet sich am Nordrand des Nafusa-Gebirges, das weitgehend unter Kontrolle der Aufständischen ist.

Dutzende Bewohner von Tripolis nutzten unterdessen in den vergangenen Tagen den Vorstoß der Rebellen zur Flucht aus der Hauptstadt. Dabei fuhren sie über Nebenstraßen in der Wüste, die wegen der Kämpfe weniger stark bewacht zu sein scheinen. Die Rebellen zählten nach eigenen Angaben vom Samstag innerhalb von drei Tagen 55 Familien, die in die Nafusa-Berge flüchteten.

Wieder 2000 Flüchtlinge auf Lampedusa angekommen

Etwa 2000 Flüchtlinge überwiegend aus Libyen sind über das Wochenende auf der italienischen Insel Lampedusa gelandet. Wie das Hafenamt am Sonntag berichtete, kamen die afrikanischen Migranten auf insgesamt elf Booten über das Mittelmeer nach Italien. Damit hat der Flüchtlingsstrom vor allem aus dem Bürgerkriegsland Libyen nach einwöchiger Pause wieder voll eingesetzt.

Eine derzeit ruhige See begünstigt die Überfahrt, die immer wieder von verzweifelten Menschen in oftmals wenig seetauglichen Booten versucht wird. Unter den Neuankömmlingen auf Lampedusa sind den Angaben zufolge etwa 200 Tunesier. Etwa 150 Frauen und Dutzende Kinder wurden gezählt. Allein 400 Flüchtlinge aus Libyen gingen nach dem Anlegen im Hafen der kleinen Insel an Land.

Die italienische Küstenwache berichtete am Sonntag, dass zumindest ein weiteres Flüchtlingsboot südlich von Lampedusa gesichtet worden sei. Die Hälfte der Flüchtlinge sollte noch am Abend von der Insel aus in ein anderes Aufnahmelager in Süditalien gebracht werden. Für die übrigen sei ein Transfer in den nächsten Tagen geplant, hieß es.

In den vergangenen Monaten hatten Zehntausende von Migranten im Schatten der politischen Umwälzungen in Nordafrika die Flucht in Booten nach Italien gewagt. Hunderte starben auf See, meist weil es zu Schiffbruch kam oder sie entkräftet nicht überleben konnten.

(dapd/dpa/abendblatt.de)