Der Kommandeur der libyschen Rebellen ist getötet worden - er stand in zweifelhaftem Kontakt zu Gaddafi. Spekulationen über seinen Tod.

Bengasi/Nalut/Kairo. Der Oberkommandierende der libyschen Aufständischen, Abdel Fattah Junes, und zwei seiner Vertrauten sind am Donnerstag bei einem Angriff getötet worden. Das teilte der Vorsitzende des Nationalen Übergangsrats, Mustafa Abdul Dschalil, auf einer Pressekonferenz in der Rebellenhochburg Bengasi mit. Junes und seine Begleiter hätten sich auf dem Weg von der Front nach Bengasi befunden und seien vor ihrer Ankunft erschossen worden. Sicherheitskräfte der Aufständischen hätten den Drahtzieher des Anschlags bereits festgenommen, sagte Dschalil. Zweifel an der Version Dschalils bestehen dennoch.

Zuvor hatte ein Sprecher der Aufständischen mitgeteilt, Junes sei in der Einsatzzentrale in der Nähe der Front in Gewahrsam genommen und für ein Verhör nach Bengasi gebracht worden. Es bestehe der Verdacht, dass Junes über Familienmitglieder noch immer Kontakt zum Regime von Machthaber Muammar al Gaddafi habe, sagte Mohammed al Ridschali.

Dschalil hingegen erklärte, Junes sei einbestellt worden, um Auskünfte über „militärische Angelegenheiten“ zu erteilen. Junis war Innenminister in Gaddafis Regierung und lief zu Beginn der Kämpfe zu den Aufständischen über. Der Vorsitzende des Nationalen Übergangsrats nannte Junes „einen der Helden der Revolution“. Gaddafi versuche, die Einheit der Aufständischen zu brechen, sagte Dschalil. Er warf dem libyschen Machthaber jedoch nicht direkt vor, für Junes' Tod verantwortlich zu sein.

Er sprach aber eine Warnung an „bewaffnete Gruppen“ im Einflussgebiet der Rebellen aus. Sie müssten sich dem Kampf gegen Gaddafi anschließen oder würden ihre Festnahme riskieren, sagte Dschalil. Es gab außerdem Berichte über Schusswechsel im Anschluss an die Pressekonferenz. Näheres ist noch nicht bekannt.

Nach Informationen von "Al-Dschasira" grassieren verschiedene Versionen von Junes' Tod, die zum jetzigen Zeitpunkt aber nur Spekulationen sind. Zum einen hat Gaddafi ein mehrere Millionen Dollar schweres Kopfgeld auf Junes ausgesetzt, was ein Grund für die Ermordung sein kann. Eine zweite Version sieht die Rebellen in der Verantwortung. Sie könnten mit Junes beim geplanten Treffen in Bengasi in Konflikt geraten sein. Eine dritte Version wiederum sieht einen Konkurrenten von Junes in der Opposition als Drahtzieher des Angriffs.

Unterdessen haben die Aufständischen im Westen Libyens am Donnerstag eine neue Offensive gegen die Truppen von Machthaber Muammar al-Gaddafi gestartet. Der Vorstoß aus dem von den Rebellen kontrollierten Nafusa-Gebirge richtete sich gegen einen wichtigen Stützpunkt der Gaddafi-Truppen in Gazaija. Der Ort wurde von den Rebellen eingenommen, berichtete der Nachrichtensender Al-Arabiya am Donnerstagabend.

Ein Reporter des Nachrichtensenders Al-Dschasira berichtete, dass Hunderte von bewaffneten Aufständischen an die Front verlegt wurden. Es handele sich um eine der größten Militäroperationen der Gaddafi-Gegner in der jüngsten Zeit. Dabei sollen die Gaddafi-Truppen aus den Niederungen am Fuße des Nafusa-Gebirges und dem Gebiet an der Grenze zu Tunesien verdrängt werden.

Die Rebellen im Westen Libyens kontrollieren bereits den Grenzübergang Wasin nach Tunesien. Doch von Gazaija aus kann die Gaddafi-Artillerie ihre einzige Nachschubroute unter Feuer nehmen.

Gaddafi, der seit längerem nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen wurde, deutete am späten Mittwoch an, dass seine Truppen für eine mögliche Bodenoffensive gerüstet seien. Er forderte außerdem seine Unterstützer auf, aus der von den Rebellen gehaltenen Stadt Misrata alle „Tyrannen und Verräter“ zu verjagen.

Nach mehr als fünf Monaten andauernder Kämpfe droht Libyen zum Beginn des Fastenmonats Ramadan am 1. August eine akute Nahrungsmittel- und Medikamentenknappheit. Sowohl die Regierung als auch die Rebellen haben die UN gebeten, eingefrorene Gelder für humanitäre Zwecke freizugeben, sagte Unter-Generalsekretär Lynn Pascoe am Donnerstag vor dem Sicherheitsrat.

br/dpa/dapd