Grüne verlangen neues Konzept - und dass die Stadt ihre teure Mietzusage zurückzieht. Die Entwicklung der HafenCity sei stark gefährdet.

Hamburg. Nach dem angekündigten Ausstieg eines Großinvestors aus dem Überseequartier in der HafenCity fordern die Grünen jetzt Konsequenzen. "Hamburg muss die Reißleine ziehen und sich von dem alten Konzept verabschieden", sagt Michael Osterburg, Grünen-Fraktionschef in der Bezirksversammlung Mitte. Bereits 2005 hätten die Grünen gefordert, dieses Herzstück der HafenCity nicht einem einzigen Konsortium zu überlassen, sondern es wie die anderen Teile des neuen Stadtteils auch, mit mehreren Investoren zu entwickeln. Jetzt sei die weitere Entwicklung der HafenCity stark gefährdet, sagt Osterburg.

Tatsächlich hatte der Senat den Bau des Überseequartiers 2005 an ein Konsortium aus zwei niederländischen Banken und dem deutschen Projektentwickler Groß & Partner vergeben. Die drei Partner wollten für das Areal zwischen Speicherstadt und Kreuzfahrtterminal knapp eine Milliarde Euro investieren und rund 280.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche mit Wohnungen, Büros und Läden schaffen. Anders als in der übrigen HafenCity plant damit ein einziger Großinvestor ein riesiges Areal in einem Stück. Damit sei sichergestellt, dass durch ein einheitliches Management Bauforschritt und Einzelhandelsangebot koordiniert werden könne, argumentiert die städtische HafenCity GmbH, die im Auftrag der Stadt die Grundstücke vergibt.

Gebaut wurde im Überseequartier aber erst der kleinere Nordteil mit etwa 103.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche. Vor allem die geplanten großen Einkaufs- und Gastroflächen mit immerhin etwa 50.000 Quadratmetern fehlen im Südteil aber noch. Und zwar ausgerechnet dort, wo wie geplant am 29. November die neue U-Bahn-Linie U 4 eröffnet wird. Hintergrund der Verzögerung ist die Finanzkrise: Offensichtlich fanden die drei Unternehmen des Konsortiums keine Bank mehr, die den fehlenden zweiten Bauabschnitt finanzieren will. Die ING Real Estate, die vor allem für die Entwicklung der Shoppingflächen verantwortlich zeichnet, hat zudem ihren Ausstieg aus dem Projekt angekündigt. Jetzt sucht die städtische HafenCity GmbH nach einem oder auch mehreren Partnern, die in das Konsortium einsteigen wollen, um den Südteil des Überseequartiers endlich fertig bauen zu können.

Aus dem Ausstieg der ING Real Estate ergibt sich nach Ansicht des Grünen-Politikers Osterburg noch eine weitere Konsequenz: Denn 2010 bereits hatten sich die Finanzierungsprobleme des Überseequartiers bereits abgezeichnet. Der damalige schwarz-grüne Senat räumte den Investoren daher eine besondere Option ein, um Sicherheiten für Banken bieten zu können: 50.000 Quadratmeter Bürofläche im Südteil des Überseequartiers wollte die Stadt selbst mieten, falls es keinen Interessenten gibt. Ein teures Versprechen, wenn man bedenkt, dass solche Mieten bei mehr als 20 Euro pro Quadratmeter liegen können, wie kürzlich eine Analyse von Immobiliescout24 ergab.

Der Geschäftsführer der HafenCity GmbH, Jürgen Bruns-Berentelg, versucht zu beschwichtigen. Die Lage auf dem Büromarkt habe sich entspannt, möglicherweise könnten auch andere Nutzer gefunden werden. Zudem gebe es jetzt "Überlegungen, den Büroflächenanteil zu reduzieren", sagt er. Doch Branchenkenner wie der Büromarktexperte von Jones Lang Lasalle, Andreas Wende, sehen die Suche kritisch. Direkt am Wasser sei die Nachfrage zwar groß, dahinter aber könne die Suche nach einem privaten Nutzer schwierig für die Stadt werden.

Als städtischer Mieter für die neuen teuren Büros in der HafenCity war auch das Bezirksamt Mitte im Gespräch. Doch das lehnen die Grünen ab: "Das Bezirksamt muss in der Nähe des Hauptbahnhofs bleiben", fordert Osterburg. Außerdem verlangt er, dass die Stadt nun die Anmietungsoption wieder zurückziehen müsse. Schließlich, so sagt der Grünen-Politiker, habe das Konsortium nicht rechtzeitig liefern können. Osterburg: "Da muss es doch Ausstiegsklauseln geben."

Doch solche Ausstiegsmöglichkeiten gibt es offensichtlich nicht. "Für uns besteht weiter die Verpflichtung, dort für die Stadt zu mieten, wenn kein privater Nutzer gefunden werden kann", sagt der Sprecher der Finanzbehörde Daniel Stricker. Wenn sich durch die Suche nach einem neuen Investor der Baubeginn um weitere Jahre verzögern dürfte, wie Brancheninsider vermuten, hat dies für die Stadt auch einen Vorteil. Stricker: "Je länger das dauert, desto größer ist für uns die Chance, dass doch ein privater Nutzer gefunden wird."