Im unvollendeten Überseequartier sollten Wohnungen statt Büros geplant werden

Wenn etwas schiefläuft, hat man es als Kritiker hinterher immer recht leicht. So war es 2005 in Hamburg sehr umstritten, das Überseequartier der HafenCity nur einem Investoren-Konsortium zu überlassen. Der damalige Senat von Ole von Beust (CDU) und auch die städtische HafenCity GmbH versprachen sich davon ein einheitliches Konzept und vor allem dessen rasche Umsetzung. Man wollte dort zwischen Speicherstadt und Elbe einen neuen großen Einkaufsboulevard errichten. Dazu noch schicke Wohnungen und Büros in attraktiver Lage. Alles zügig und in einem Stück, ohne Leerstände und Baulücken. Doch dann kam die Finanzkrise, und die Finanzierung dieses immerhin fast eine Milliarde Euro teuren Projekts geriet ins Stocken, weil Banken viel vorsichtiger wurden. Zu allem Überfluss zieht sich jetzt auch noch einer der drei Investoren komplett zurück - und die Stadt muss einen oder mehrere neue Geldgeber suchen. Das Projekt Überseequartier dürfte sich damit um weitere Jahre verzögern.

Doch damit wird die Entscheidung von 2005 nicht automatisch zur voraussehbaren Fehlentscheidung. Auch die überwiegende Mehrheit der Wirtschaftsexperten konnte diese Krise und ihre Auswirkungen bis in Hamburgs neuen Vorzeigestadtteil hinein nicht voraussagen. Bisweilen fragt man sich ohnehin, ob Wirtschaftsexperten überhaupt irgendetwas verlässlich voraussagen können. Vieles in Politik und Wirtschaft ist eben von zufälligen Entwicklungen abhängig.

2010 aber, da zeigte sich die Krise deutlich. Auch in Hamburg. Und möglicherweise war es seinerzeit tatsächlich ein Fehler des Senats, eine Art Anmietungs-Garantie für Büroflächen im Überseequartier zu geben. Sonst würde keine Bank die weiteren Bauabschnitte des Überseequartiers finanzieren, hieß es seinerzeit. Offensichtlich sträuben sich die Bankleute aber heute immer noch - trotz des teuren Risikos, das die Stadt seinerzeit eingegangen ist. Andernfalls wäre vermutlich schon längst ein neuer Partner für das Investoren-Konsortium gefunden worden.

Die Lehre daraus: Man darf den richtigen Zeitpunkt nicht verpassen. Wenn sich, wie in diesem Fall, herausstellt, dass das ursprüngliche Konzept nicht mehr funktioniert, bringen auch immer neue Rettungsversuche nichts.

Möglicherweise muss man deshalb nicht allein nach neuen Investoren, sondern auch neue Konzepte suchen: Der geplante Bau von Einkaufsflächen im Überseequartier ist sicher immer noch ein gutes Mittel, um diesen Stadtteil zu beleben und die Innenstadt gefühlt und sichtbar bis zur Elbe hin auszudehnen.

Fraglich aber ist, ob dort noch immer solche Massen an Büros gebaut werden müssen, wie sie bisher geplant sind. Wegen der Schiffsabgase vom nahe gelegenen Kreuzfahrtterminal wollte man in Elbnähe keine weiteren Wohnungen bauen - obwohl nach ihnen eine viel größere und dringendere Nachfrage in Hamburg besteht als für Büros. Ein Kurswechsel in dieser Frage könnte sich also lohnen. Und die HafenCity GmbH selbst denkt ja mittlerweile darüber nach, den Büroanteil im geplanten, aber leider noch nicht gebauten Südteil des Überseequartiers zu reduzieren.

Wenn die Stadt nun beispielsweise die Landstrom-Versorgung für große Kreuzfahrtschiffe viel intensiver als bisher voranbringt und sich die Abgasbelastung dadurch deutlich verringert, dann besteht vielleicht auch die Chance, dort doch noch Wohnungen zu bauen.

Klar ist aber: Ein Kurswechsel muss schnell erfolgen. Denn wenn das zentrale Areal der HafenCity weiter brachliegt, kann sich das Image des neuen Stadtteils zum Negativen wandeln. Und das wäre schade, denn bisher ist dieses faszinierende neue Stück Stadt am Wasser sehr gut vorangekommen. Bis auf diesen kleinen Webfehler in seinem Herzstück.