Die Opposition fordert in der Bürgerschaft, als Lösung für Milliardenprobleme auch eine “geordnete Abwicklung“ der HSH Nordbank zu prüfen.

Hamburg. Am Tag danach ging der Blick wieder nach vorn - wenn auch mit unterschiedlichen Zielen. Nachdem die HSH Nordbank am Dienstag erstmals zugegeben hatte, die Milliarden-Garantie der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein wohl in Anspruch nehmen zu müssen, forderte die Opposition in der Bürgerschaft den SPD-Senat auf, alle Alternativen zur Fortführung der Bank zu prüfen, auch eine geordnete Abwicklung. "Der Senat muss endlich die Zuschauertribüne verlassen und aktiv werden", sagte CDU-Finanzexperte Roland Heintze. Dazu gehöre die Prüfung aller Optionen, zum Beispiel Nachverhandlungen mit der EU über ihre Auflagen für die Bank sowie die Frage an den Bund, inwiefern er helfen könnte.

Am offensivsten forderte eine ungewöhnliche Allianz aus FDP und Linkspartei, sich mit der Abwicklung der HSH zu beschäftigen. Während für Sozialprojekte in Hamburg das Geld fehle, werde es in der HSH Nordbank "versenkt", kritisierte Norbert Hackbusch (Linke). "Das Ganze muss endlich ein Ende haben!" Thomas-Sönke Kluth (FDP) sagte, die HSH-Probleme könnten zur "Kernschmelze des Hamburger Haushalts" führen. Das Beste wäre, die Bank mithilfe eines privaten Investors zu stabilisieren. Gelinge das nicht, müsse man eine planmäßige Abwicklung zumindest erwägen.

Anja Hajduk (Grüne) schlug moderatere Töne an, forderte vom Senat aber auch, er solle jetzt "offen die Karten legen", welche Lösungen es gebe. Auch wenn eine Abwicklung der HSH derzeit unrealistisch sei, müsse man die Möglichkeit zumindest prüfen. Die von HSH-Aufsichtsratschef Hilmar Kopper gewünschte Erhöhung der Länder-Garantie von sieben auf zehn Milliarden Euro müsse angesichts der neuen Lage noch kritischer gesehen werden, so Hajduk. Sie sehe das "große Risiko für die Bank", dass die EU das erneut als illegale Beihilfe wertet und das ganze Geschäftsmodell wieder infrage stelle.

Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) wies die Forderungen der Opposition zurück. "Nassforsche Abwicklungsforderungen und andere Scheinlösungen sind das Gefährlichste, was wir dem Haushalt der Länder antun können", sagte er in der Bürgerschaft. Das Vermögen der Länder wird aus Tschentschers Sicht am ehesten durch eine Stabilisierung der HSH geschützt. Außerdem habe die Stadt ein "strategisches Interesse" an einem großen Schiffsfinanzierer, schließlich sorgten Hafen und Schifffahrt für jährliche Steuereinnahmen in dreistelliger Millionenhöhe. SPD-Haushaltsexperte Jan Quast verwies darauf, dass bei einer Abwicklung der HSH die Gewährträgerhaftung der Länder von mehr als 30 Milliarden Euro zum Tragen käme: "Das wäre eine Katastrophe."

Die HSH Nordbank gehört zu 85 Prozent Hamburg und Schleswig-Holstein. Die beiden Länder mussten ihre Bank 2009 mit drei Milliarden Euro Kapital und einer Garantie über zehn Milliarden Euro retten, die mittlerweile auf sieben Milliarden abgesenkt wurde. Am Dienstag hatte der neue HSH-Vorstandsvorsitzende Constantin von Oesterreich den Parlamenten in Hamburg und Kiel mitgeteilt, dass die Bank wegen der schweren Schifffahrtskrise damit rechne, dass sie Kredite im Umfang von 4,5 Milliarden Euro werde abschreiben müssen. Wie verabredet, werde sie bis 3,2 Milliarden Euro selbst tragen, aber für die übrigen 1,3 Milliarden Euro müssten nach 2019 wohl die Länder geradestehen.

Der frühere schleswig-holsteinische Wirtschaftsminister Werner Marnette (CDU) sagte dem Abendblatt, er halte es "für äußerst unverantwortlich, so zu tun, dass die Belastungen für die Länder erst von 2019 an kommen werden. Ich kenne kein Unternehmen, das eine exakte Planung über drei Jahre hinaus vorlegen kann. Die Planung der HSH vom Februar 2009 hatte ja noch nicht einmal bis 2011 Bestand." Marnette, der vor seiner Ministerzeit lange Vorstandschef der Norddeutschen Affinerie war, sieht erheblich größere Risiken in der Bank als die 4,5 Milliarden Euro. Weil das die Kräfte zweier Bundesländer übersteigen würde, forderte er, den Bund um Hilfe zu bitten. Dieser stehe ohnehin in der Pflicht, für das "Problem Landesbanken" eine tragfähige Lösung zu finden, sagte Marnette.

Auch Norbert Dieckmann, Professor an der Hamburger Wirtschaftshochschule EBC, rät den Ländern, sich nach fremder Hilfe umzusehen. "Die Lage der HSH Nordbank ist zwar nicht bedrohlich", sagte Dieckmann dem Abendblatt. "Aber die Länder als Hauptanteilseigner wären gut beraten, sich nach weiteren Kapitalgebern umzusehen. Auch Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit mit anderen Banken, zum Beispiel mit der Nord LB, sollten geprüft werden."

Finanzsenator Tschentscher sieht solche Vorschläge mit Skepsis: "Niemand nimmt den Ländern das Risiko ab, nicht der Bund, nicht die EU und auch kein privater Investor."