Notruf des neuen Vorstandschefs: Hamburg und Kiel müssen bis zu 1,3 Milliarden zahlen. Schifffahrtskrise trifft Bank härter als erwartet.

Hamburg/Kiel. Diese Nachricht ist für Hamburg und Schleswig-Holstein ein schwerer Schlag: Die HSH Nordbank hat am Dienstag erstmals eingeräumt, dass sie die Garantie der beiden Länder wohl in Anspruch nehmen wird. Sie rechnet damit, dass Hamburg und Kiel zwischen 2019 und 2025 zusammen bis zu 1,3 Milliarden Euro zahlen müssen.

"Damit bestätigt sich die Einschätzung des Senats, dass im Portfolio aus früheren Bankgeschäften noch erhebliche Risiken bestehen, für die am Ende die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein einstehen", sagte Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD). Er betonte aber auch, dass es sich nur um eine Planung handele, es könne auch besser oder schlechter kommen. Aufgabe der Länder sei es nun, die HSH Nordbank in ihrer Neuausrichtung zu unterstützen und so das Vermögen der Länder zu schützen. Auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) reagierte demonstrativ gelassen: "Mitnichten reden wir hier von einem Worst Case", sagte Albig. "Kein Mensch" wisse heute konkret, ob und wie die HSH die Länderhaushalte belasten werde. Fest steht: Beide Länder müssen ihre Etatpläne für 2013 nicht anpassen.

Der neue HSH-Vorstandschef Constantin von Oesterreich informierte gestern die Parlamente in Hamburg und Kiel über die Lage der Bank. Dabei nannte er als Auslöser für die neue, düstere Prognose auch die weltweite Schifffahrtskrise. Die sei 2011 nur als "Wolke" am blauen Himmel interpretiert worden. "Aber das war keine Wolke, das war ein Gewitter, und das läuft noch", sagte von Oesterreich. Mit einem Ende der Krise rechne er nicht vor Ende 2014. Daher müsse die HSH, die zuletzt noch ein Volumen von 36 Milliarden Euro an Schiffskrediten hatte, eine deutliche höhere Risikovorsorge betreiben. Die Wertberichtigungen seien im dritten Quartal bereits deutlich gestiegen, noch bis 2014 würden die Ausfallraten über den Planungen liegen. Die vorgeschriebenen Kapitalquoten würden aber eingehalten. Exakte Zahlen nennt die HSH am 6. Dezember.

Wie viel Geld die Länder tatsächlich verlieren werden, ist noch völlig offen. Sie hatten die Bank, die ihnen zu rund 85 Prozent gehört, 2009 im Zuge der Finanzmarktkrise mit drei Milliarden Euro Kapital und einer Garantie über zehn Milliarden Euro gerettet. Da sich die HSH danach rasch stabilisierte, wurde die Garantie auf sieben Milliarden Euro abgesenkt. Und in Anspruch genommen werden darf sie ohnehin erst, wenn die Verluste 3,2 Milliarden Euro übersteigen - diese "Erstverlusttranche" muss die HSH selbst tragen. Nach der neuen Prognose wird dieser Punkt 2019 erreicht sein. Danach eintretende Verluste müssten die Länder zu gleichen Teilen tragen.

Die Bank wies aber darauf hin, dass die Gebühr, die sie für die Bereitstellung der Garantie zahlt - derzeit 280 Millionen Euro pro Jahr -, den Ländern bis 2019 einen Puffer verschaffe, der höher als 1,3 Milliarden Euro sei. Von dieser Gebühr müssen die Länder allerdings den Kredit über drei Milliarden Euro finanzieren, den sie 2009 aufgenommen hatten, um der Bank frisches Kapital geben zu können.

Außerdem werden die HSH-Aktien, die Hamburg und Schleswig-Holstein seinerzeit für 19 Euro erworben hatten, derzeit nur mit 11,95 Euro bewertet. Das hat der SPD-Senat gestern auf eine Kleine Anfrage des CDU-Finanzexperten Roland Heintze mitgeteilt. Mit anderen Worten: Die drei Milliarden Euro würden die Länder bei einem Verkauf der HSH-Anteile bei Weitem nicht zurückbekommen.

Heintze forderte Finanzsenator Tschentscher daher auf, "aktives Risikomanagement" zu betreiben und sich um einen Sitz im Aufsichtsrat zu bemühen. Dort wird die Stadt derzeit von einem leitenden Beamten vertreten. Anja Hajduk (Grüne) sprach von einem "Schlag ins Kontor für die Haushaltslage der Stadt". Der von HSH-Aufsichtsratschef Hilmar Kopper geäußerte Wunsch, die Ländergarantie wieder auf zehn Milliarden Euro aufzustocken, müsse "völlig neu" betrachtet werden. Thomas-Sönke Kluth (FDP) forderte, auch über eine planmäßige Abwicklung der Bank nachzudenken. "Wenn sich die Risikoprognose bewahrheiten sollte, dann hat ein neues Kapitel in der Geschichte der HSH Nordbank begonnen. Möglicherweise auch das letzte."

Betont gelassen gab sich die SPD. "Das ist sicher keine schöne Nachricht", sagte Finanzexperte Jan Quast. Für den Hamburger Haushalt ergebe sich aus der neuen Risikoprognose der Bank aber kein Handlungsbedarf.