Warum Hamburg und Schleswig-Holstein eine Aufstockung der Garantie auf zehn Milliarden Euro prüfen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Hamburg. Das Thema HSH Nordbank ist mit unerwarteter Wucht in Hamburg und Kiel auf die Tagesordnung zurückgekehrt. Nachdem am Mittwoch der Aufsichtsrat um den Vorsitzenden Hilmar Kopper Vorstandschef Paul Lerbinger durch Constantin von Oesterreich ersetzte, wird nun in beiden Bundesländern, denen mehr als 80 Prozent der Bank gehören, über eine Aufstockung der Garantien für die HSH von sieben auf zehn Milliarden Euro diskutiert. Zum Vergleich: Drei Milliarden Euro sind mehr als ein Viertel des Hamburger Jahresetats - kein Wunder also, dass die Aufregung enorm ist. Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Warum und wofür geben die Länder überhaupt Garantien?

Ende 2008 stand die HSH Nordbank angesichts eines Jahresverlusts von 2,8 Milliarden Euro am Abgrund. Hamburg und Schleswig-Holstein stellten der HSH, die 2003 aus der Fusion der beiden Landesbanken hervorgegangen war, drei Milliarden Euro an Kapital zur Verfügung. Dafür nahmen sie einen Kredit auf. Außerdem stellten sie der Bank einen Garantieschirm über zehn Milliarden Euro. Dieser sollte eventuelle Verluste aus allen seinerzeit bestehenden Geschäften abdecken - dabei ging es um ein Geschäftsvolumen von rund 180 Milliarden Euro. Für diese Garantie muss die HSH den Ländern vier Prozent Gebühr zahlen - also 400 Millionen Euro pro Jahr. Davon finanzieren die Länder den Drei-Milliarden-Kredit.

Wie funktioniert die Garantie?

2009 wurde vereinbart, dass die HSH die ersten 3,2 Milliarden Euro Verlust selbst tragen muss ("Erstverlusttranche"). Erst darüber hinaus darf sie die Garantie in Anspruch nehmen, daher wird von "Zweitverlustgarantie" gesprochen. Von den 3,2 Milliarden hatte sie per 30. Juni erst 233 Millionen Euro ausgeschöpft. Vereinbart wurde zudem, dass die Garantie bei normaler Entwicklung der Bank schrittweise reduziert wird - um die enorme Gebührenlast zu senken. Daher steht sie derzeit "nur" noch bei sieben Milliarden Euro.

Warum wird eine Erhöhung geprüft?

Nachdem sich die Bank zunächst unerwartet schnell erholt hatte, hat sie jetzt wieder massive Probleme. Aufsichtsratschef Kopper sagte, 2012 dürften die Verluste "deutlich mehr" als 250 Millionen Euro betragen. Das hat vor allem zwei Gründe: Die Rettung durch die Länder hatte die EU als illegale Beihilfe gewertet und nur unter sehr harten Auflagen genehmigt. So musste die HSH den Ländern 500 Millionen Euro "erstatten", sie muss eine zusätzliche Garantiegebühr zahlen (die die Länder ihr vorerst stunden), und sie muss Geschäftsfelder drastisch schrumpfen (wie die Schiffsfinanzierung) oder aufgeben (wie die Flugzeugfinanzierung). Sie macht zwar Neugeschäft, finanziert zum Beispiel einen großen Solarpark in Frankreich, aber die EU-Auflagen lassen ihr zu wenig Spielraum.

Zweitens trifft sie die erneute Krise der Schifffahrt hart. Von den bestehenden Schiffskrediten in Höhe von 36 Milliarden Euro ist ein großer Teil vom Ausfall bedroht. Da schon drohende Verluste das Kapital der Bank binden, könnte die Kernkapitalquote unter die gesetzliche Untergrenze von neun Prozent fallen. Derzeit beträgt sie zehn Prozent. Eine Erhöhung der Garantie würde die Quote anheben, weil mögliche Verluste abgesichert wären.

Muss die EU erneut zustimmen?

Denkbar ist, dass eine Anhebung der Garantie ein erneutes EU-Verfahren auslösen würde. Auch eine Zustimmung der Bürgerschaft und des Landtags in Kiel könnte nötig sein. Da Brüssel und beide Parlamente aber schon einmal dem Zehn-Milliarden-Rahmen zugestimmt hatten, ist es auch möglich, dass das nicht erneut erfolgen muss.

Was sagt die HSH Nordbank?

Die Aufstockung der Zweitverlustgarantie der Länder sei "eine Option", sagte HSH-Sprecher Rune Hoffmann. Allein die Bereitschaft zu so einem Schritt sei "ein Bekenntnis der Länder zur HSH Nordbank". Aber: "Eine Anhebung der Garantie ist derzeit weder geplant, noch befindet sich die Bank in Verhandlungen darüber." Es sei das Ziel des Vorstands, die schwierige Lage "aus eigener Kraft zu bewältigen".

Was sagt der Senat?

Hamburgs Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) verwies gestern in der Bürgerschaft darauf, dass seit Ende August bekannt sei, dass die HSH Wege zur Sicherung der Kapitalquoten prüfe. Er bekräftigte, dass die Aufstockung der Garantie die wirksamste Maßnahme wäre, aber noch nichts entschieden sei.

Was kritisiert die Opposition?

Nach der Linkspartei forderte gestern auch die Hamburger FDP erstmals, eine "planmäßige Abwicklung" der HSH zumindest zu prüfen. CDU und Grüne schlossen eine weitere Stützung der Bank nicht aus, forderten aber zuvor mehr Informationen vom Senat.

Wie groß ist das Risiko, dass die Länder Geld verlieren werden?

Die mit Abstand umstrittenste Frage. Offiziell liegt das Risiko bei 41 Prozent, was aber wenig aussagt. Angesichts des großen Puffers bei der Erstverlusttranche hoffen Optimisten, dass die Länder gar kein Geld nachschießen müssen. Anders sehen es Kritiker wie der frühere Kieler Wirtschaftsminister Werner Marnette (CDU). "Insbesondere bei der Schiffsfinanzierung droht der HSH ein erheblicher Abschreibungsbedarf", sagte er gestern dem Abendblatt. "Eine Erhöhung der Garantiesumme ist meines Erachtens daher nur eine vorläufige ,Heilungsmaßnahme', der weitere Kapitalspritzen in absehbarer Zeit folgen werden." Er würde eine Lösung unter Einbeziehung des Bundes anstreben.

Fest steht: Sollte der Garantierahmen erhöht werden, könnten die Länder natürlich auch mehr Geld verlieren.