Streit um Vorstandsgehälter bei der HSH Nordbank konfrontiert die Politik mit Ansichten, von denen sie heute nichts mehr wissen will.

Hamburg. Ein häufig bemühtes Bonmot über Politiker geht sinngemäß so: Je größer eine Summe, über die sie befinden sollen, desto schneller entscheiden sie. Und je kleiner der Betrag, desto heftiger streiten sie darüber. Otto Normalverbraucher kennt das auch. Ob das neue Auto nun 16 000 oder 18 000 Euro kostet, ist nicht so wichtig. Muss eh ein Kredit her. Aber beim Discounter wird auf jeden Cent geachtet.

Auf die HSH Nordbank übertragen, bedeutet das: Das Rettungspaket mit der irrwitzigen Größe von 13 Milliarden Euro hatte die Bürgerschaft 2009 innerhalb weniger Wochen abgesegnet. Aber über die Frage, ob die Vorstände auch wirklich nur 500 000 Euro pro Jahr verdienen, zerbrechen sich die Politiker bis heute die Köpfe - auch in einer Phase, in der der neue HSH-Chef Constantin von Oesterreich einräumt, dass die Risiken aus dem Rettungsschirm für Hamburg weiter steigen. Manchmal sind ein paar "Peanuts" halt greifbarer als ein ganzer Dampfer voller Erdnüsse. Der heutige HSH-Aufsichtsratschef Hilmar Kopper lässt grüßen. Die politische Debatte ist dennoch hoch interessant, offenbart sie doch, dass sich sowohl die regierende SPD als auch die oppositionelle CDU ungern an ihr "Geschwätz von gestern" erinnern.

Vielleicht liegt es daran, dass alles am einem 1. April begann. An jenem Tag im Jahr 2009 segnete die Bürgerschaft besagtes Rettungspaket für die HSH Nordbank ab, beschloss gleichzeitig aber mit den Stimmen von SPD, CDU und GAL einen Antrag mit folgender "Bedingung": Die Vergütung eines Vorstandsmitglieds dürfe "höchstens 500 000 Euro pro Jahr" betragen, ohne Einschränkung. Außerdem sollen für die Laufzeit der Garantie keinerlei Boni gezahlt werden, jene für die Finanzbranche prägenden und nicht selten exorbitant hohen Zuschläge.

Dieser Beschluss des Parlaments war jedoch nur ein "Ersuchen" an den damaligen CDU/GAL-Senat. Am 26. Mai 2009 teilte dieser der Bürgerschaft mit, dass man sich daran leider nur zum Teil halten könne. 500 000 Euro Grundgehalt seien in Ordnung, aber nur mit der Einschränkung "solange die HSH nicht dividendenfähig ist". Von 2012 an sollte sie das aber eigentlich wieder sein. Ferner erklärte der Senat allerlei über "Bonifikationen und freiwillige Gehaltsbestandteile", ohne klarzustellen, ob die auch über die 500 000 Euro hinaus zulässig wären oder nur bis zu dieser Grenze.

Hilmar Kopper, seit Juli 2009 Vorsitzender des HSH-Aufsichtsrats, interpretierte den Beschluss jedenfalls in seinem Sinne. Das neue "Vergütungsmodell, das er am 2. Dezember 2009 vorstellte, beinhaltete eine Altersvorsorge von bis zu 100 000 Euro sowie die Möglichkeit, ab sofort "Anrechnungspunkte für variable, erfolgsbezogene Vergütungen" zu erwerben, die ausgezahlt werden, wenn die Bank dividendenfähig ist. Weil zudem die Möglichkeit einer nachträglichen Kürzung der Vergütung eingebaut wurde, fand Kopper das Modell extrem streng: "Für solche Gehälter spielt kein Bundesligaspieler", spottete er.

Die SPD jedoch war auf Zinne, allen voran ihr damaliger Finanzexperte Peter Tschentscher. "Täuschung und Betrug", warf er HSH und Senat vor, weil der Bürgerschaftsbeschluss ignoriert werde. Während die Grünen einräumten, dass ihnen das Modell auch nicht passe, es aber doch zähneknirschend akzeptierten, wollte die CDU von dem Beschluss, den sie nur sechs Monate zuvor noch mitgetragen hatte, jetzt nichts mehr wissen. Man brauche "nicht die preisgünstigsten, sondern die besten Manager", hieß es nun.

Interessanterweise unternahm die SPD nach der Regierungsübernahme Anfang 2011 nicht den Versuch, ihre ursprüngliche Vorstellung der rigiden Vergütung durchzusetzen, obwohl dazu Gelegenheit gewesen wäre. So waren Tschentscher - inzwischen Finanzsenator - und Bürgermeister Olaf Scholz 2011 persönlich bei EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia, um über die Auflagen zu verhandeln, unter denen Brüssel der Staatshilfe für die HSH zustimmen würde. Eine Verschärfung beim Thema Vorstandsvergütung kam dabei aber nicht heraus, denn als die EU am 20. September 2011 die HSH-Rettung endgültig absegnete, hieß es lediglich: "Insbesondere gilt eine monetäre Vergütung der Organe, Angestellten und wesentlichen Erfüllungsgehilfen bei fehlender Dividendenfähigkeit der HSH dann als unangemessen, wenn sie 500 000 Euro im Jahr überschreitet."

Das entsprach also exakt der Haltung der Landesregierungen, und insofern verwunderte es nicht, dass der Senat noch am 9. Oktober 2012 auf eine Kleine Anfrage des CDU-Finanzexperten Roland Heintze zu den HSH-Gehältern antwortete, er habe "seine Haltung nicht geändert". Dass die nicht der Meinung aus Oppositionszeiten entsprach, interessierte zu dem Zeitpunkt kaum jemanden. Wohl aber zwei Wochen später. Da hatte der "Spiegel" berichtet, dass die EU sich nun doch wieder kritisch mit den Bezügen bei der HSH beschäftige, und der Senat musste beantworten, wie er dazu stehe. "Wir erwarten, dass die HSH Nordbank die Auflagen der EU-Kommission - auch in den Einzelheiten des Vergütungssystems - erfüllt", ließ Tschentscher mitteilen. Im NDR formuliert er es kurz darauf etwas volksnäher: "Dicke Bonuszahlungen, variable Vergütungen sollen in dieser HSH Nordbank nicht gezahlt werden, solange es noch keine Dividenden gibt." Manch einer interpretierte das als Rückkehr des Senators zu seiner alten Position. Am 9. Oktober habe die Finanzbehörde noch der HSH-Auffassung den Rücken gestärkt, jetzt gebe der Senator "klein bei", stichelte Heintze.

Wer genau hinschaut, stellt jedoch fest, dass in Tschentschers Worten nach wie vor nur die offizielle Senatshaltung zum Ausdruck kommt: Boni nur, wenn es der Bank wieder gut geht.

Tatsächlich steckt der Finanzsenator in einer Zwickmühle: Als Sozialdemokrat, der in der eigenen Partei zudem dem linken Flügel zugeordnet wird, würde er nur zu gern offen die Einhaltung der 500 000-Euro-Grenze fordern, die er als Oppositionspolitiker so heftig angemahnt hatte. Doch weiß er auch, dass sich erstens ein Alphatier wie Hilmar Kopper in diesen Kernbereich des Aufsichtsrats kaum hineinreden lässt und, falls doch, dieser SPD-Senat zweitens erklären müsste, warum er in der Sache bislang nichts unternommen hat. Tschentscher käme es also durchaus gelegen, wenn die EU die Auflagen für die HSH-Gehälter verschärfen würde und der Senat es dann öffentlich beklatschen könnte. Jan Quast, sein Nachfolger als SPD-Finanzexperte, würde eine Verschärfung jedenfalls begrüßen: "Aus meiner Sicht schließt das Wort Vergütung eventuelle Boni ein."

Interessanterweise sieht CDU-Mann Heintze das genauso: "Meine persönliche Meinung ist, dass der Bürgerschaftsbeschluss gelten muss." Dass er das als seine "Meinung" ausweist, hat einen guten Grund: Die CDU-Fraktion ist noch nicht so weit, sich von ihrem früheren Senat um Ole von Beust zu distanzieren. Kann aber noch kommen.