Zwei zentrale Strecken für Bauarbeiten gesperrt. Stattdessen gibt es Schienenersatzverkehr. Fahrgäste brauchen deutlich länger.

Hamburg. Schienenersatzverkehr - dieses Wort steht für Bewegung im negativen Sinne: Es bedeutet: deutlich längere Fahrwege, doppeltes Treppensteigen, mehrfaches Umsteigen und schlimmstenfalls buchstäblich - Verfahren. Ein Montagmorgen könnte besser starten als mit einem gesperrten S-Bahn-Citytunnel - und der erste Schreck lässt nicht auf sich warten: Eine Hundertschaft Berufspendler drängt sich kurz nach acht Uhr auf dem Busbahnsteig am Bahnhof Altona an der Straßenkante. "Ersatzhaltestelle" prangt auf einem provisorischen Schild über den müden Gesichtern. Die ersten Gedanken: Kein Durchkommen, Zuspätkommen. Doch der Unmut verfliegt, denn wie sich herausstellt, wartet die Masse nicht auf den S-Bahn-Ersatz sondern auf die Fahrt zum Airbus-Werk. Als der Gelenkbus der Linie E 86 abgelegt hat, wirkt der Bahnsteig für einen Augenblick wie verlassen. Gerade noch ein Dutzend Reisende hält frierend Ausschau, eine halbe Minute später macht der ersehnte S-3-Ersatzbus seine Doppeltüren auf. Selbst wer drängeln wollte, käme nicht auf seine Kosten. Verloren wirken die wenigen "Ersatzverkehrer" zwischen all den unbesetzten Plätzen. Und dieses Bild wird sich in der kommenden Stunde nicht verändern.

"Ich hatte es mir viel schlimmer vorgestellt", sagt Eva-Maria Dargatz. Mit ihrem zweijährigen Sohn Leonard im Buggy ist sie auf dem Weg zur Reeperbahn, dort ist ihr Büro. Auch das Umsteigen in Altona war trotz des Kinderwagens kein Problem: "Wir sind einfach die Rolltreppen hoch, auch wenn das nicht erlaubt ist." Einen Puffer von zehn Minuten hat sie zusätzlich eingeplant, erzählt die junge Frau auf dem Weg in Richtung Baumwall. Dort endet die Ersatzstrecke, die Busse kehren nach etwa einer Viertelstunde Fahrt wieder um und fahren nach Altona zurück. Dass sie ihren Zeitplan nicht ganz einhalten wird, bemerkt Eva-Maria Dargatz spätestens am Pepermölenbek, wo sie aussteigen muss. "Na gut, ich werde ein bisschen länger laufen müssen, der S-Bahn-Aufstieg ist näher an der Reeperbahn, aber sonst hat alles gut geklappt."

An den Landungsbrücken stockt die Fahrt, dort kommt der Bus wegen der Tiefbauarbeiten und der Straßenverengung nur langsam voran. Die Laune trübt das nicht, die Fahrgäste genießen die ungewohnte überirdische Aussicht. "Eine Stunde brauche ich von Tür zu Tür", sagt eine ältere Frau aus Wedel. "Ich war eine Woche nicht in Hamburg, da habe ich mir gar keine Gedanken über die S-Bahn-Sperrung gemacht. Wie sich zeigt, war das auch nicht nötig. Außerdem waren am Bahnhof ja überall Leute von der Bahn, die man fragen konnte." Zwei sogenannte Reisenden-Lenker sind jeweils an den Stationen Altona, Hauptbahnhof und Landungsbrücken im Einsatz.

Auch die Hochbahn setzt bei der Sperrung ihrer Linie U 2 auf Mitarbeiter, die den Fahrgästen bei Fragen zur Seite stehen. An der Haltestelle Hagenbecks Tierpark stehen zwei hilfsbereite Hochbahner. "Die meisten Hamburger sind schon gut über die Sperrung informiert", sagt einer - und erklärt anschließend einem jungen Touristen-Paar auf Englisch, wie es zum Busersatzverkehr kommt und wie lange die Sperrung der Teilstrecke noch andauern wird - bis einschließlich 17. März.

Bis dahin baut die Hochbahn die drei Haltestellen Osterstraße, Emilienstraße und Christuskirsche barrierefrei aus. Die meisten Fahrgäste finden den Weg zum Ersatzverkehr jedoch ohne Hilfe, Schilder gibt es genug und mit ihren Pfeilen weisen sie den Weg sehr eindeutig. Kaum oben angekommen, fahren die beiden Busse vor, die über die gesperrten Haltestellen zum Schlump fahren. 20 Busse hat die Hochbahn zu den Stoßzeiten in und von Richtung Schlump eingesetzt. Auch dort läuft alles reibungslos. Raus aus dem Bus, rein in die Bahn - oder eben anders herum. Die Takte passen gut. Die Busse sind voll, aber nur die wenigsten sind überfüllt.

Anders sieht es bei der Buslinie 5 aus. Diese hatte die Hochbahn als Ausweichmöglichkeit für alle Pendler angegeben, die nicht eine der gesperrten Haltestellen in Eimsbüttel ansteuern wollen, sondern direkt die Innenstadt als Ziel haben. Schon am Start am Niendorfer Markt gibt es kaum noch Sitzplätze im Doppelgelenkbus, mit jeder Haltestelle wird es enger. An den Haltestellen am Grindel müssen Fahrgäste vor der Tür bleiben. 31 Minuten soll der Bus von Niendorf bis zur Haltestelle Gänsemarkt brauchen. 17 wären es mit der U-Bahn. An diesem Montag werden es 62 Minuten, weil der Bus schon nach wenigen Hundert Metern nur noch im Schneckentempo vorwärtskommt. Am Siemersplatz wird gebaut, die Busse stehen im Stau. Die junge Dame mit den knallroten Haaren muss mehrfach bei ihrer neuen Praktikumsstelle anrufen und um Entschuldigung für ihre Verspätung bitten - und wird heute vielleicht auf den Schienenersatzverkehr setzen.