Fast vier Jahre saß die US-Studentin Amanda Knox wegen Mordes in Italien im Gefängnis. Jetzt hat ein Berufungsgericht die 24-Jährige freigesprochen.

Perugia/Rom. Die vom Vorwurf des Mordes freigesprochene Amerikanerin Amanda Knox hat ihren italienischen Unterstützern gedankt. Die 24-Jährige dankte all denen, "die mein Leid geteilt und mir geholfen haben, mit Hoffnung zu überleben", wie sie in einem Brief an eine Stiftung schrieb, die sich für die italienisch-amerikanische Verständigung einsetzt. Die Stiftung hatte sie stets unterstützt.

Knox wurde 2009 schuldig gesprochen, ihre britische Mitbewohnerin getötet zu haben. Ein Berufungsgericht sprach sie am Montag frei. Ihr Aufenthaltsort war nicht bekannt. Knox wollte am Dienstag mit ihrer Familie von Rom aus zurück nach Seatle im US-Bundesstaat Washington fliegen.

„Ich habe das Unerträgliche ertragen“, sagte sie nach Angaben von Corrado Maria Daclon, Generalsekretär einer amerikanisch-italienischen Stiftung, die sich in dem jahrelangen juristischen Tauziehen für Knox eingesetzt hatte. Sie wolle „einfach nur nach Hause, sich wieder mit ihrer Familie vereinen, ihr Leben wieder in Besitz nehmen und ihre Fröhlichkeit zurückgewinnen“, sagte Daclon, der die 24-Jährige auf der Fahrt aus dem Gefängnis begleitete, laut Ansa.

Seinen Anfang nahm der Fall im November 2007: Die britische Austauschstudentin Meredith Kercher wird mit durchschnittener Kehle, vergewaltigt, halbnackt und von Messerstichen übersät in ihrer und Knox' gemeinsamer Wohnung in Perugia gefunden. Knapp zwei Jahre später wurden Knox und Sollecito in einem Indizienprozess zu 26 beziehungsweise 25 Jahren Haft verurteilt. Nach Aufassung der ersten Instanz hatten sie Kercher bei Sexspielen getötet.

Nun sind sie frei. Auch Sollecito verließ noch in der Nacht das Gefängnis. Knox' Familie erklärte, Amanda habe vier Jahre gelitten für ein Verbrechen, das sie nicht begangen habe. Der Freispruch sei keiner aus Mangel an Beweisen, unterstrichen italienische Medien. Vollkommener könne ein Freispruch nicht sein. Die Suche nach dem Schuldigen müsse damit von vorne beginnen, hieß es in Kommentaren.

Vor dem Gerichtssaal spielten sich nach dem Urteilsspruch tumultartige Szenen ab. Für den Freispruch gab es Buh-Rufe und Jubel zugleich. Das Interesse an dem Prozess war enorm: Rund 400 Journalisten aus aller Welt waren angereist und hatten vor dem Gebäude ausgeharrt. Mehr als zehn Stunden berieten die zwei Richter und sechs Geschworenen, bevor sie das Urteil um etwa 22.00 Uhr verkündeten.

Die Spannung stieg bis zuletzt. Die Angehörigen der getöteten Meredith Kercher hörten der Urteilsverkündung wie versteinert zu. Die Schwester der Ermordeten brach in Tränen aus. Die vor dem Gericht versammelte Menschenmenge entlud ihre Anspannung in Jubelrufen einerseits und Drohungen und Beschimpfungen andererseits.

Wegen Verleumdung des kongolesischen Barmannes Patrick Lumumba, den Amanda kurz nach ihrer Festnahme zu Unrecht des Mordes beschuldigt hatte, bestätigte das Gericht das betreffende Urteil der ersten Instanz: Die Haftstrafe von drei Jahren hat die Amerikanerin aber bereits abgesessen. Eine Schadensersatzzahlung und die Erstattung der Gerichtskosten Lumumbas stehen aber noch aus. Knox und Sollecito hatten in einem knapp elf Monate langen Berufungsprozess bis zuletzt gekämpft, um ihre Unschuld zu beweisen.

Die Staatsanwälte Giuliano Mignini und Manuela Comodi kündigten an, Berufung einlegen zu wollen. Es bleibt ihnen das Kassationsgericht in Rom als dritte und letzte Instanz.

Die Familie des Opfers reagierte geschockt auf das Urteil. Vater John Kercher sagte, es sei nicht zu verstehen: „Meredith' Körper wies 47 Wunden auf. Zwei Messer wurden benutzt. Eine einzige Person konnte das nicht anrichten. Wie konnten sie das ignorieren?“

Für Beihilfe am Mord an Meredith sitzt weiter der Ivorer Rudy Guede im Gefängnis. Er wurde zu 16 Jahren Haft verurteilt. Wem er geholfen hat, ist nach dem Urteil wieder völlig offen.