Das Mädchen kam nicht von der Schule nach Hause. Dann wurde ihre Leiche in einem Bach gefunden. Die Polizei bestätigt ein Gewaltverbrechen.

Zella-Mehlis/Suhl. „Warum??? Kinder tun niemandem etwas“ steht auf einem Zettel an der Haustür des Wohnblocks in Zella-Mehlis, in dem Mary-Jane lebte. Die Menschen in der Kleinstadt in Südthüringen können das grausige Verbrechen kaum begreifen. Die Siebenjährige ist umgebracht worden, ihre Leiche wurde im Wald nur unweit ihres Zuhauses gefunden. Nach der Tat bleiben Entsetzen und Trauer. Immer wieder kommen aufgewühlte Bürger zu dem Plattenbau, in dem das Kind mit seiner 28 Jahre alten Mutter lebte. Sie verharren minutenlang, schweigen, trauern. Blumen werden niedergelegt, Kerzen aufgestellt. Etliche Plüschtiere sitzen vor dem Eingang Nr. 15.

„Es ist schrecklich“, sagt eine 42-jährige Frau, die an dem Haus vorbeikommt, und bricht in Tränen aus. „Das war ein ganz liebes Mädchen“, erzählt eine Nachbarin am Sonnabend, kurz nachdem Wanderer das tote Kind in einem Bachlauf gefunden haben. Mary-Jane sei sehr zutraulich gewesen, auch zu Fremden. Oft habe sie das Mädchen gesehen, wie es alleine in der ruhigen Wohngegend unterwegs war, sagt die Rentnerin. Ähnliches schildern andere Anwohner.

Mary-Jane kommt am Freitagnachmittag nicht von der Schule nach Hause. Wo sie verschwindet, bleibt zunächst ein Rätsel. Ihre beunruhigte Mutter alarmiert abends die Polizei, die rückt mit einer Suchstaffel, Spürhunden und einem Hubschrauber an. Die Waldgebiete rings um die Ortschaft werden durchkämmt – vergebens. Am Sonnabendmorgen finden Spaziergänger die tote Siebenjährige in einem Bachlauf im Wald am Fuße des Ruppbergs. Es ist ein beliebtes Wandergebiet. Mary-Jane trägt noch ihre lila-pinkfarbene Jeans und ihre Jacke. Allerdings fehlt ihr knallroter Schulranzen. „Der ist weg, den haben wir noch nicht“, sagt Polizeisprecher Eberhard Wagner aus Suhl. Am Sonntagabend veröffentlichte die Polizei ein Foto des Ranzens.

Das Polizeiaufgebot ist für die Kleinstadt immens, schnell spricht sich der Tod des Kindes rum. Bei der bekannten Konditorei Otto rätseln die Bürger über den grausigen Fund. „Alle Leute sind geschockt“, erzählt eine Mitarbeiterin. „Es ist schon schlimm.“ Bürgermeister Karl-Uwe Panse (parteilos), der gerade erst aus dem Urlaub in Norwegen zurückkommt, erfährt aus dem Autoradio von der schrecklichen Tat. „Seit 21 Jahren bin ich jetzt im Dienst“, aber so etwas Furchtbares habe es in Zella-Mehlis noch nicht gegeben. „Wo wir die Details gehört haben, mussten wir erst einmal rechts ranfahren.“

Die Ermittler verraten auch am Sonntag nach der Obduktion der Leiche nicht viel. Mary-Jane wurde getötet – das steht nach Worten des Polizeisprechers fest. Ist der Fundort auch der Tatort? „Das darf ich Ihnen gar nicht erzählen.“ Unbeantwortet bleiben auch Fragen nach der Todesursache, den Todesumständen und möglichen Tatverdächtigen. Aus „ermittlungstaktischen Gründen“ will Wagner nicht preisgeben, ob die Kripo bereits den mutmaßlichen Täter im Visier hat. Der Vater von Mary-Jane, der nicht in Thüringen wohnt, scheide aber aus, betont er.

In der Ortschaft versuchen die Einwohner derweil, das Geschehene zu rekonstruieren. Schnell machen allerhand Gerüchte die Runde: Einer will das Mädchen nachmittags noch in einer Apotheke gesehen haben, als sie Traubenzucker kaufte. Ein anderer hat gehört, sie sei mit einer Freundin auf dem Spielplatz gewesen. Wieder ein anderer will wissen, dass sie direkt nach der Schule in ein Auto eingestiegen ist. Die Polizei kommentiert das nicht, verweist auf die Ermittlungen. Sie habe sehr, sehr viele Hinweise aus der Bevölkerung bekommen.

„Die Unsicherheit ist groß“, sagt eine junge Mutter und drückt wohl das vorherrschende Gefühl in der Plattenbausiedlung aus. Dort würden genug Männer wohnen, sagt sie. Eine andere Bürgerin kann sich jedoch nicht vorstellen, dass der Täter aus Zella-Mehlis kommt. Viele haben Angst, „im Moment traue ich mich nicht mehr, meine Kinder alleine draußen herumlaufen zu lassen.“