Aus Mangel an Beweisen ist Jörg Kachelmann im Vergewaltigungsprozess freigesprochen worden. Für jeden der 132 Tage U-Haft hat der Wettermoderator nach dem “Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen“ Anspruch auf 25 Euro.

Mannheim. Jörg Kachelmann ist auf freiem Fuß. Vor dem Landgericht Mannheim ist der Wettermoderator am Dienstag vom Vorwurf der Vergewaltigung seiner Ex-Freundin freigesprochen worden. Für eine Verurteilung fehlten den Richtern die Beweise. Was wirklich zwischen Kachelmann und seiner ehemaligen Geliebten geschah, bleibt im Dunkeln. Damit ging nach fast neun Monaten und 44 Verhandlungstagen einer der spektakulärsten Prozesse in der Geschichte der Bundesrepublik zu Ende. Gleich nach der Verkündung begann allerdings der Kampf um die Deutungshoheit in dem Fall, in dem Aussage gegen Aussage steht.

„Der heutige Freispruch beruht nicht darauf, dass die Kammer von der Unschuld des Angeklagten überzeugt ist und im Gegenzug von einer Falschbeschuldigung der Nebenklägerin“, sagte der Vorsitzende Richter Michael Seidling am Dienstag. Es bestünden aber „begründete Zweifel an der Schuld von Herrn Kachelmann“. Deshalb sei er nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ freizusprechen. Seidling: „Es bleibt die Erkenntnis, dass dem menschlichen Erkenntnisvermögen Grenzen gesetzt sind.“

Der Vorsitzende Richter äußerte bei der Urteilsverkündung auch scharfe Kritik an Verteidiger Johann Schwenn und den Medien. Schwenn keilte zurück. Die Staatsanwaltschaft erklärte, sie werde das Urteil prüfen und dann entscheiden, ob sie Revision einlegt. Sie hatte eine Haftstrafe von vier Jahren und drei Monaten gefordert.

Das Gericht folgte mit dem Freispruch dem Antrag der Verteidigung. Im Publikum gab es Applaus und Jubel. Kachelmann hörte der Urteilsverkündung ohne sichtbare Regung zu. Anschließend verließ er das Gericht, ohne sich zu äußern. Seine 38-jährige Ex-Geliebte, die Hauptzeugin der Anklage, wischte sich am Ende der knapp einstündigen Urteilsverkündung Tränen aus den Augen. Sie hatte Kachelmann beschuldigt, sie mit einem Messer bedroht und vergewaltigt zu haben. Er hatte die Vorwürfe stets bestritten. DNA-Spuren stützten die Anklage nicht.

Wie geht es mit Kachelmann nach dem Freispruch weiter? Der Moderator werde jetzt wieder voll bei dem von ihm gegründeten Wetterdienst Meteomedia einsteigen, teilte das Unternehmen mit. Dazu gehörten auch seine Kommentare zum Wettergeschehen in Medien wie Radio Basel, dem Sender Radio Primavera mit Sitz in Aschaffenburg und Twitter. Zur ARD, wo er jahrelang das Wetter moderiert hatte, wird er vorerst aber nicht zurückkehren.

Für die Zeit in Untersuchungshaft sowie Durchsuchungen und Beschlagnahmen kann Kachelmann Entschädigung verlangen. Er saß nach seiner Verhaftung 132 Tage lang in Untersuchungshaft. Nach dem „Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen“ hat er für jeden Tag Anspruch auf 25 Euro. Zudem könnte er aber auch einen möglichen Verdienstausfall wegen der Haftzeit geltend machen.

Auch die Kosten seiner Verteidigung muss die Staatskasse bezahlen. Dies gilt aber nur für die „notwendigen Auslagen“. Das kann auch die Kosten eines zweiten Verteidigers abdecken – allerdings nur bis zur Höhe des gesetzlichen Vergütungssatzes. Sollte Staranwalt Schwenn höhere Sätze verlangen, müsste Kachelmann die Mehrkosten selbst tragen.

Der Vorsitzende Richter Seidling nutzte die Urteilsverkündung für ungewöhnlich heftige Kritik an Verteidiger Schwenn und den Medien. Schwenn habe den „respektvollen Umgang“ häufig vermissen lassen und mit seinen Vorwürfen dem Ansehen der Justiz geschadet.

Seidling kritisierte außerdem die Berichterstattung in den Medien: „Statt der gebotenen Zurückhaltung gegenüber einem laufenden Verfahren prägten vorschnelle Prognosen, das einseitige Präsentieren von Fakten und mit dem Anschein von Sachlichkeit verbreitete Wertungen die Berichterstattung.“ Der Wahrheitsfindung in der Hauptverhandlung sei dies in hohem Maße abträglich. Seidling war während des Prozesses wiederholt in verschiedenen Medien für seine Verhandlungsführung kritisiert worden.

Kachelmanns Anwalt Schwenn hingegen sprach von einem „befangenen Gericht“. Die Kammer hätte Kachelmann „zu gerne verurteilt“ und in der Urteilsbegründung nochmal „richtig nachgetreten“, um „den Angeklagten maximal zu beschädigen“. Schwenn sprach von einer „Erbärmlichkeit im Gerichtssaal“. Pflichtverteidigerin Andrea Combé betonte, rechtlich gesehen gebe es keinen „Freispruch zweiter Klasse“. Es gelte lediglich der Grundsatz „in dubio pro reo“ – im Zweifel für den Angeklagten.

Kachelmann schweigt zum Urteil - Verteidiger kritisiert Verfahren

Für Richter Seidling bleibt ein schaler Nachgeschmack: „Wir entlassen den Angeklagten und die Nebenklägerin mit einem möglicherweise nie mehr aus der Welt zu schaffenden Verdacht, ihn als potenziellen Vergewaltiger, sie als potenziell rachsüchtige Lügnerin.“

Das Gericht wies darauf hin, dass sowohl die Nebenklägerin als auch Kachelmann in Teilen die Unwahrheit gesagt hätten. Die 38-Jährige hatte einige falsche Angaben zur Vorgeschichte der angeblichen Tat gemacht. Kachelmann hat nach Überzeugung des Gerichts zum Streit mit der Ex-Geliebten vor dem Haftrichter nicht immer die Wahrheit gesagt.

Das Gericht stellte jedoch fest, dass „die objektive Beweiskette in die eine wie die andere Richtung immer wieder abreißt“. Aus den Vernehmungen anderer Ex-Geliebter des Moderators gehe zudem hervor, dass Kachelmann sexuell zwar Grenzen auslote, aber immer auf Einvernehmlichkeit bedacht gewesen sei, erklärte das Gericht.

Der Anwalt der Ex-Geliebten sprach von „Freispruch dritter Klasse“. „Ich bin auf keinen Fall am Boden zerstört“, sagte Thomas Franz der Illustrierten „Bunte“. In der Urteilsbegründung habe das Gericht klar gemacht, dass es „weder von der Unschuld von Herrn Kachelmann, noch von einer Falschaussage meiner Mandantin überzeugt“ sei.

Die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer stellte sich weiter an die Seite der Ex-Freundin und Nebenklägerin. „Man muss auch Respekt vor dem möglichen Opfer haben“, sagte Schwarzer, die den Prozess für die „Bild“-Zeitung begleitet hatte. Der Opferschutz- und Frauenrechtsverbände sprachen von einem falschen Signal, das der Prozess setze. Dass ein Freispruch nach dem Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ häufig „Im Zweifel gegen das Opfer“ bedeute, sei vielen Juristen nicht bewusst, sagte Veit Schliemann vom Opferverein „Weißer Ring“.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) kritisiert Rolle der Medien in dem Prozess. „Rechtsstaatliche Verfahren drohen ausgehebelt zu werden, wenn die Beweisaufnahme vom Gerichtssaal in Talkshows verlagert wird“, sagte sie der „Passauer Neuen Presse“. Sie lobte aber das Urteil des Gerichts. „Das heutige Urteil stärkt das Vertrauen in die Unabhängigkeit der deutschen Justiz.“ (dpa)