Die Vorwürfe der Vergewaltigung von “Sabine W.“ gegen Jörg Kachelmann wurden über 41 Tage verhandelt. Am 31. Mai soll das Urteil fallen.

Mannheim. Bald hat das Warten ein Ende. In knapp zwei Wochen soll das Urteil verkündet werden. Im spektakulären Prozess gegen Wettermoderator Jörg Kachelmann haben nach 41 Verhandlungstagen Staatsanwaltschaft und Nebenklage das Wort. An diesem Mittwoch (18. Mai) werden die Vertreter der Anklage, Lars-Torben Oltrogge und Oskar Gattner, ihre Plädoyers vor dem Landgericht Mannheim halten. Sie dürften eine Verurteilung des 52-jährigen Schweizers wegen Vergewaltigung fordern. Mit Spannung wird erwartet, welches Strafmaß die Staatsanwälte beantragen. Die Anklage lautet auf Vergewaltigung in einem besonders schweren Fall. Dies wird mit fünf bis 15 Jahren Haft bestraft.

+++Lesen Sie hier die Chronologie des Kachelmann-Prozesses+++

Laut Anklage soll Kachelmann in der Nacht zum 9. Februar 2010 seine ehemalige Geliebte mit einem Küchenmesser bedroht und vergewaltigt haben soll. Der Moderator bestreitet die Vorwürfe.

Die Spurenlage ist alles andere als eindeutig, rechtsmedizinische Gutachten nähren Zweifel an den Aussagen der Frau über den angeblichen Tathergang. Zudem hatte die Ex-Geliebte zum Teil falsche Angaben zur Vorgeschichte der angeblichen Tat gemacht, die sie erst später korrigierte. Entscheidend für die Bewertung der Ereignisse sei jedoch die Gesamtschau, argumentierten die Staatsanwälte immer wieder.

Bei den Plädoyers wird das Team der Anklage durch Staatsanwalt Werner Mägerle vertreten. Das hat rechtliche Gründe: Da Oltrogge und Gattner auch als Zeugen befragt wurden, dürfen sie alles, was mit ihrem eigenen Zeugenauftritt zusammenhängt, nicht selbst im Rahmen des Plädoyers vor Gericht würdigen.

Anwalt Thomas Franz als Vertreter der Nebenklage soll im Anschluss an die Staatsanwälte sein Plädoyer halten. Franz agierte während der öffentlichen Verhandlungen sehr zurückhaltend, allenfalls forderte er den Ausschluss der Öffentlichkeit, um die Intimsphäre der Ex-Geliebten zu schützen. Am 24. Mai sind die Plädoyers der Verteidigung geplant, am 31. Mai will die Strafkammer ihr Urteil verkünden.

Die wichtigsten Akteure der Anklage

Die Staatsanwälte Lars-Torben Oltrogge und Oskar Gattner haben Wettermoderator Jörg Kachelmann wegen schwerer Vergewaltigung angeklagt. Rechtsanwalt Thomas Franz vertritt die Nebenklägerin.

Lars-Torben Oltrogge: Der 36 Jahre alte Staatsanwalt mit der markanten Lockenmähne vertritt die Anklage. Im Prozess übernimmt er auf der Seite der Anklage weitgehend die Verhandlungsführung. Oltrogge gilt als sehr guter Jurist, als hartnäckig und entscheidungsfreudig. Angriffe der Verteidigung pariert er meist souverän. Im Gerichtssaal klingt er mitunter recht scharf – was allerdings auch an seiner hohen Stimmlage liegen dürfte. Die Stimme wurde sogar Thema des Prozesses, da sich das mutmaßliche Opfer in Vernehmungen von Oltrogge eingeschüchtert gefühlt haben soll. „Ich weiß, dass ich gegenüber anderen Personen aggressiver wirke als ich mich selbst empfinde“, sagte Oltrogge bei seiner Vernehmung als Zeuge. „Es ist grundsätzlich so, dass ich allein durch meine Stimme einschüchternd wirken kann.“ Verteidiger Johann quittierte das mit einen höhnischen Zwischenruf: „Tenöre stehen ja in einem anderen Ruf!“ Im persönlichen Gespräch wirkt Oltrogge sehr reflektiert; insgesamt lässt er aber keinen Zweifel daran, dass er von der Schuld Kachelmanns überzeugt ist.

Oskar Gattner: Der erfahrene Oberstaatsanwalt ist Oltrogges Vorgesetzter, überlässt ihm aber weitgehend die Verhandlungsführung. Der 61-Jährige wirkt ruhig und umgänglich. Im Prozess allerdings ließ er sich von Kachelmanns Verteidiger Johann Schwenn provozieren. So bezeichnete Schwenn die Staatsanwälte als „um einiges verdächtiger als Herr Kachelmann“ und nannte sie „Tatverdächtige“. Irgendwann platzte Gattner sichtlich der Kragen; mit wutrotem Kopf keilte er zurück: „Sie können hier nicht von Ihrem Recht auf Narrenfreiheit Gebrauch machen!“ Sonst, wie gesagt, wirkt er sehr ausgeglichen; manche Rechtsanwälte freuen sich, dass sie bei Besprechungen in seinem Dienstzimmer sogar rauchen dürfen.

Thomas Franz: Der Anwalt von Kachelmanns Ex-Geliebter, die als Nebenklägerin auftritt. Franz agiert im Gerichtssaal äußerst zurückhaltend. Es ist nicht aufgefallen, dass er bei den öffentlichen Vernehmungen auch nur eine Frage gestellt hätte. Allenfalls beantragte er bei Befragungen von Zeugen und Gutachtern den Ausschluss der Öffentlichkeit, um die Intimsphäre seiner Mandantin zu schützen. Franz ist als Anwalt auf die Vertretung von Opfern vor Gericht spezialisiert. Er ist stellvertretender Landesvorsitzender des Opferschutzvereins Weißer Ring in Baden-Württemberg und sitzt für die CDU im Gemeinderat von Ketsch (Rhein-Neckar-Kreis). Von Medienarbeit hält der studierte Betriebswirt und Jurist nach eigenen Angaben nicht viel. Der Prozess werde nicht per Abstimmung entschieden, argumentiert er. (dpa)

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Die Nacht des 9. Februar steht vor der Aufklärung

Beim Film würde man sagen: Die Sache ist im Kasten. Alle Szenen sind abgedreht. Das Landgericht Mannheim hat am Mittwoch nach mehr als acht Monaten die Beweisaufnahme im Prozess gegen Jörg Kachelmann beendet. Nun kommt nichts Neues mehr dazu. Jetzt geht es nur noch um die Interpretation.

Beim Film ist es so, dass eine richtige Geschichte erst entsteht, indem man beim Schnitt die einzelnen Szenen aneinanderfügt. Aus demselben Rohmaterial lassen sich also ganz unterschiedliche Geschichten erzählen. Es ist zu erwarten, dass es im Prozess gegen Jörg Kachelmann nicht anders sein wird.

Aus Sicht der Staatsanwaltschaft scheint die Sache klar zu sein: Jörg Kachelmann hat in der Nacht zum 9. Februar 2010 seine ehemalige Geliebte - die in den Medien meist "Sabine W.“ genannt wird – mit einem Küchenmesser bedroht und vergewaltigt.

Die Staatsanwaltschaft versucht den Eindruck zu erwecken, als sei sie sich ihrer Sache sicher. Noch vergangene Woche stellte Staatsanwalt Lars-Torben Oltrogge einen Beweisantrag, der nur dann Sinn hätte, wenn Kachelmann verurteilt würde: Er wollte Zeugen zu angeblichen Medienkontakten der Kachelmann-Seite vernehmen lassen. Damit sollte bewiesen werden, dass der Moderator zumindest indirekt Anteil an der Berichterstattung über den Prozess hatte – was allenfalls bei der Bemessung der Strafe eine Rolle spielen könnte, also nur dann, wenn er verurteilt wird. Das Landgericht Mannheim lehnte den Antrag am Mittwoch allerdings ab.

Auf der anderen Seite scheint Kachelmanns Verteidiger Johann Schwenn, der anfangs einen gewissen Zweckpessimismus zeigte, nun jedenfalls nach außen recht zuversichtlich, dass sich die Sache zugunsten seines Mandanten gedreht haben könnte – um nicht zu sagen: dass er die Sache gedreht haben könnte. Er habe "keinen Anlass in Depression zu verfallen“, sagte Schwenn am Rande der Verhandlung am Mittwoch, "im Gegensatz zu der Prognose zur Jahreswende“.

Neutrale Beobachter stehen vor dem Problem, dass große Teile des Prozesses unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt wurden. Die gesamte Aussage des mutmaßlichen Opfers – deren Glaubhaftigkeit der entscheidende Punkt des ganzen Verfahrens ist – fand ebenso hinter verschlossenen Türen statt wie fast alle Aussagen der zahlreichen ehemaligen Geliebten des Moderators. Auch die psychologischen Gutachter trugen ihre Ergebnisse zum Teil in nichtöffentlicher Sitzung vor.

Nach dem aber, was sich aus dem öffentlichen Teil schließen lässt, dürften Kachelmanns Chancen nicht schlecht stehen: Einen eindeutigen Beweis für seine Unschuld gibt es nicht – wohl aber gewichtige Zweifel an der Darstellung des mutmaßlichen Opfers. Die drei rechtsmedizinischen Gutachter kommen – bei Unterschieden in der Bewertung der Wahrscheinlichkeit – alle zu dem Ergebnis, dass sich Sabine W. ihre Verletzungen an Hals und Oberschenkeln selbst zugefügt haben könnte. Auch die DNA-Spuren am angeblichen Tatmesser scheinen nach der Aussage eines Experten des Landeskriminalamts nicht so recht zum geschilderten Tathergang zu passen.

Die psychologischen Sachverständigen wiederum sind sich weitgehend einig, dass die Glaubwürdigkeit der Aussage von Sabine W. sich mit den Methoden der Aussagepsychologie jedenfalls nicht bestätigen lässt. Klar ist, dass Sabine W. bei der Polizei und der Staatsanwaltschaft zur Vorgeschichte der angeblichen Tat zum Teil falsche Angaben machte, die sie erst korrigierte, als es schon fast zu spät war.

Insofern unterscheidet sich die Lage auch nach 41 Verhandlungstagen nicht wesentlich von der Situation vor Prozessbeginn. Damals hatte das Oberlandesgericht Karlsruhe einen dringenden Tatverdacht verneint und Kachelmann aus der Untersuchungshaft freigelassen. Wenn das Landgericht dieselben Maßstäbe anlegt – und wenn nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit irgendetwas schwer Belastendes herausgekommen sein sollte – dann müssten die Richter Kachelmann am 31. Mai freisprechen.