Die ätzende Flüssigkeit wird in den Rhein abgelassen. So soll ein Auseinanderbrechen der “Waldhof“ und eine unkontrollierte Reaktion verhindert werden.

St. Goarshausen. Mitte Januar kenterte der Säuretanker „Waldhof“ auf dem Rhein. Er war beim Chemiekonzern BASF in Ludwigshafen mit Schwefelsäure beladen worden und befand sich auf dem Weg nach Antwerpen. Bei der aufwendigen Bergung wird nun ein Teil der Säure kontrolliert abgelassen.

Die zuständigen Behörden wollen so ein Auseinanderbrechen des Tankers und damit eine unkontrollierte Reaktion der Säure mit dem Rheinwasser verhindern. Durch das gesteuerte Ablassen seien „nur geringe Beeinträchtigungen des Rheins“ zu erwarten, teilte das Pressezentrum "Havarie Loreley“ am Montag mit. Das Ökosystem des Flusses sowie die Trinkwassergewinnung seien nicht gefährdet.

Am Wochenende war nahe der Loreley ein Teil der Schwefelsäure aus dem Tanker in ein anderes Schiff gepumpt worden. Dadurch sackte den Angaben zufolge der vordere Teil des auf der Seite liegenden Schiffes etwa 20 Zentimeter in eine Mulde im Flussbett ab. Der Schiffskörper verdrehte sich, aufgrund der enormen Spannung entstanden Beulen. Der Tanker drohte bei einer weiteren Bewegung auseinanderzubrechen.

Die Sicherheit der Bergungskräfte sei so nicht mehr gewährleistet, sie habe Priorität, hieß es. Bei einer unkontrollierte Reaktion der Säure mit dem Wasser würde starke Hitze entstehen, es könnte zum Beispiel gefährliche Fontänen geben. Laut Plan werden nun maximal 80 Tonnen Säure pro Stunde in den Rhein abgelassen, was 12 Litern pro Sekunde entspricht. Derzeit fließen pro Sekunde etwa 1,6 Millionen Liter Wasser im Rhein. Die Säure werde deshalb schnell neutralisiert, erklärten die Behörden.

Der Tanker hatte ursprünglich 2400 Tonnen Schwefelsäure geladen. Die Experten gehen davon aus, dass seit der Havarie rund 900 Tonnen ausgetreten sind, vermutlich durch automatische Ventile. Wie viel Säure derzeit noch an Bord sei, lasse sich nicht sagen. Ein Großteil der Ladung soll weiterhin umgeladen werden, betonte ein Behördensprecher. Wie viel in den Rhein abgelassen werden müsse, lasse sich nicht vorhersagen. „Das hängt auch von der Reaktion des Schiffes ab.“

Schwefelsäure zählt zu den aggressivsten Säuren. Experten stufen sie als schwach wassergefährdend ein. „Wir werden alles tun, um die Bevölkerung, die Einsatzkräfte und die Umwelt zu schützen“, erklärte der rheinland-pfälzische Innenstaatssekretär Roger Lewentz (SPD). Falls durch das kontrollierte Ablassen der Säure überhaupt Schäden entstünden, wären sie nach Angaben der Behörden lokal begrenzt.

Unterhalb der Unfallstelle überwacht ein Laborschiff die Aktion. Das rheinland-pfälzische Umweltministerium setzte eine Rheinwarnung ab und informierte Behörden und Trinkwasserversorger entlang des Flusses. Der Tanker "Waldhof“ war vor dreieinhalb Wochen aus noch ungeklärter Ursache gekentert. Zwei Bootsleute werden seitdem vermisst.

Die Chronologie des Tankerunglücks:

13.1. Das mit knapp 2.400 Tonnen Schwefelsäure beladene Tankschiff kentert auf dem Rhein nahe dem Loreleyfelsen. Der Steuerstand des Schiffes reißt ab. Zwei der vier Crewmitglieder können nach der Havarie verletzt an Land gebracht werden. Mehr als 100 Feuerwehrleute und Wasserschutzpolizisten suchen bisher vergeblich nach zwei weiteren Vermissten. Das bei St. Goarshausen (Rhein-Lahn-Kreis) auf der Seite liegende Wrack wird am Ufer sowie an zwei Schleppern vertäut, um ein Abtreiben in der starken Rheinströmung zu verhindern. Der Fluss wird am Ort der Havarie für den Schiffsverkehr voll gesperrt.

14.1. Die Hoffnung auf das Überleben der beiden Vermissten schwindet. Die Einsatzleitung vermeldet, dass bislang keine größeren Säuremengen aus dem Tanker ausgetreten sind. Schwimmkräne aus Duisburg und Rotterdam werden angefordert. Die Möglichkeit eines kontrollierten Ablassens der geladenen Schwefelsäure wird „als letztes Mittel“ bei Komplikationen der Bergungsarbeiten genannt.

19.1. Die Einsatzleitung gibt den Rhein am gekenterten Tanker in einer Richtung mit Einschränkungen frei. Die ersten stromaufwärts fahrenden Frachter werden von der Schifffahrtsverwaltung einzeln vorbei gelotst. So soll der Rückstau von mittlerweile rund 300 Schiffen abgebaut werden.

23.1. Mit der „Amsterdam“ trifft der letzte der angeforderten Bergekräne aus den Niederlanden ein. Zugleich werden die ersten Stahlseile unter dem Wrack hindurchgezogen. Mit diesen wird das Schiff im weiteren Verlauf gegen Verrutschen gesichert.

28.1. Durch Wassereinbruch hat sich laut Einsatzleitung leicht entzündliches Knallgas in allen sieben Tanks gebildet.

1.2. Die Explosionsgefahr wurde durch Einleiten von Stickstoff gebannt. Die ersten von etwa 450 festliegenden Schiffen dürfen stromabwärts an der „Waldhof“ vorbei fahren.

5.2. Komplikationen beim Abpumpen stellen die Experten auf eine harte Probe. Weil sich bereitstehende Tankschiffe als ungeeignet für die hochkonzentrierte Chemikalie erwiesen haben, ist ein neues Tankschiff eingetroffen. Es transportiert gut 240 Tonnen Schwefelsäure aus der „Waldhof“ zu BASF nach Ludwigshafen.

7.2. Laut Einsatzleitung verbiegt sich das 110 Meter lange Wrack der „Waldhof“, die Säuretanks drohen zu bersten. Es wird damit begonnen, Säure kontrolliert in den Rhein zu pumpen. Entgegen vorherigen Berichten sind bereits 900 Tonnen der Säure in den Fluss gelangt. Schlimmstenfalls müssen zur Bergung weitere 1.000 Tonnen Säure kontrolliert eingeleitet werden. Für das Trinkwasser und den Fluss stellt dies den Angaben zufolge keine Gefahr dar.

Mit Material von dpa und dapd