Der gehörte Zeuge war der Ex-Freund der Schwester von Tim K. Er bestätigte, dass die Familie Veränderungen an dem Jungen bemerkt habe.

Stuttgart. Drei Tage nach dem Amoklauf von Winnenden hat sich der Vater des Täters nach Angaben eines Zeugen Vorwürfe wegen seiner unverschlossenen Pistole gemacht. „Er hat gesagt, dass die Waffe da nicht hätte rumliegen dürfen“, sagte der Ex-Freund der Schwester des Täters am Donnerstag im Prozess vor dem Stuttgarter Landgericht. Die Familie habe gewusst, dass Tim K. psychische Probleme hatte. Welche das genau waren, sei ihm nicht bekannt, sagte der heute 18-jährige Gymnasiast.

Die Schwester habe ihm 2008 in einem Internet-Chat geschrieben, dass ihr Bruder zweimal die Note sechs bekommen habe und dass er depressiv sei, bestätigte der Zeuge entsprechende Chat-Protokolle. Er fange an sich zu verändern, habe das Mädchen weiter beklagt. Man merke, dass er zerbreche.

Der Vater des Amokläufers muss sich seit Mitte September vor Gericht verantworten, weil er eine seiner Pistolen unverschlossen im Schlafzimmer aufbewahrt hatte. Damit hatte sein Sohn am 11. März 2009 an seiner früheren Realschule in Winnenden und auf der Flucht nach Wendlingen 15 Menschen und sich selbst erschossen. Die Anklage lautet auf Verstoß gegen das Waffengesetz. Die 18. Strafkammer hatte aber zu Beginn des Prozesses gesagt, auch eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung sei denkbar. Dann drohen dem Vater bis zu fünf Jahre Haft.

Leicht war dem 18-jährigen Zeugen, der nach eigenen Worten heute noch freundschaftliche Kontakt zur früheren Freundin hat, die Auskunft nicht zu entlocken. Zunächst hatte er das Bild einer „ganz normalen“ Familie gezeichnet. Allen tiefer gehenden Fragen wich er zunächst aus und verneinte die Kenntnis von psychischen Problemen bei Tim K. Nach flapsigen Sprüchen in Richtung Nebenklage, nahm ihn der Vorsitzende Richter Reiner Skujat dann allerdings ins Gebet. „Wissen Sie eigentlich, auf was für einer Veranstaltung Sie hier sind?“

Vor Gericht müsse er als Zeuge sagen, was er wisse, sonst werde es „unter Umständen nicht schön für Sie“. Danach brach der Zeuge in Tränen aus. Es nehme ihn alles total mit, sagte er. Später berichtete er, er habe im Vorfeld des Prozesses ein zwei bis drei Stunden langes Telefonat mit seiner Ex-Freundin geführt, in dem es auch um das Verfahren und die Chat-Protokolle ging.

Zuvor hatten zwei Mitschüler des Amokläufer von der Albertville-Realschule den Täter als ruhigen und nicht auffälligen Schüler beschrieben . Ein bisschen kindisch sei er gewesen und habe versucht, sich mit seinem Geld Freundschaften zu erkaufen, erzählte ein 18-jähriger ehemaliger Klassenkamerad. Im Freundeskreis hätten sie mal gescherzt: „Der macht irgendwann nochmal einen Amoklauf.“ Anlass sei das ruhige Wesen des späteren Täters und seine Vorliebe für Waffen gewesen. Ernst sei es den Mitschülern mit diesem Kommentar aber nicht gewesen, sagte der Zeuge. „Das hätten wir über jeden sagen können.“ Dass es dann tatsächlich passiert sei, habe ihn total überrascht. „Das war nicht stimmig für ihn.“