Tim K., der Amokläufer von Winnenden, habe auf der Entführungsfahrt nach Wendlingen nervös mit den Patronen in seiner Weste gespielt.

Stuttgart. Im Prozess gegen den Vater des Amokläufers von Winnenden hat eine damalige Geisel die Entführungsfahrt von Winnenden nach Wendlingen geschildert. Der 17-jährige Tim K. habe nervös mit den Patronen in seiner Weste gespielt und sein Magazin neu geladen, berichtete der Autofahrer am Dienstag vor dem Landgericht in Stuttgart. „Er hat sich auf der Fahrt auf die nächste Schießerei vorbereitet“, sagte der 43-jährige Russlanddeutsche.

Der Kfz-Mechaniker berichtete, er habe am 11. März 2009 in Winnenden auf einem Parkplatz nahe der Albertville-Realschule im Auto auf seine Frau gewartet. Von dem Amoklauf an der Schule habe er nichts geahnt. Plötzlich habe Tim K. die rechte hintere Autotür aufgerissen, sich auf die Rückbank gesetzt, eine Pistole an seinen Kopf gehalten und ihn aufgefordert loszufahren.

Der Schüler habe ihm gesagt, dass er an seiner alten Schule 15 Menschen umgebracht habe , berichtete der Zeuge. Auf der Fahrt nach Wendlingen habe er die Lichthupe bedient, um entgegenkommende Polizeiwagen auf sich aufmerksam zu machen, die Polizeibeamten hätten dies jedoch nicht beachtet.

Als sie während der zweistündigen Autofahrt in einen Stau kamen, habe Tim K. gefragt: „Soll ich raus, bisschen schießen, bisschen Spaß haben?“ Der Zeuge antwortete ihm nach eigenen Angaben: „Warum willst du unschuldige Menschen umbringen, du hast doch mich, was willst du noch?“ Er sei sich sicher gewesen, dass Tim K. eine echte Waffe hatte.

In seiner Verzweiflung überlegte der 43-Jährige, ob er gegen einen Baum fahren solle, um Schlimmeres zu verhindern. Doch der Gedanke an seine Kinder habe ihn davon abgehalten. Als Tim K. ihm befohlen habe, auf die A8 Richtung Karlsruhe zu fahren, habe er einen Streifenwagen gesehen. Dann habe er das Lenkrad nach rechts gerissen, Gas gegeben, die Fahrertür geöffnet und sich aus dem Auto fallen lassen. Seit dieser Fahrt zittere er häufig am ganzen Körper: „Bis heute geht das Zittern nicht weg.“

Tims Vater Jörg K. steht seit zwei Monaten wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz vor Gericht. Der 51-Jährige wird beschuldigt, die Tatwaffe im Schlafzimmerschrank unverschlossen aufbewahrt zu haben. Der Vorwurf der fahrlässigen Tötung in 15 Fällen sowie der fahrlässigen Körperverletzung in 14 Fällen ist vom Gericht nur zurückgestellt. Seit Ende Oktober ist der Angeklagte nicht mehr zur Gerichtsverhandlung erschienen.

Sein Sohn hatte mit der Pistole am 11. März 2009 an der Albertville-Realschule in Winnenden bei Stuttgart neun Schülerinnen und Schüler sowie drei Lehrerinnen erschossen. Auf der Flucht tötete Tim K. drei weitere Menschen, bevor er sich selbst das Leben nahm.