Der Vater von Tim K. steht seit Wochen vor Gericht, weil er eine Waffe unverschlossen aufbewahrte. Persönlich erscheinen muss er nicht.

Stuttgart. Überraschende Wende im Stuttgarter Amoklaufprozess: Die Verhandlung gegen den Vater des Amokläufers von Winnenden wird ohne den Angeklagten fortgesetzt. Die Strafkammer halte die Anwesenheit des 51 Jahre alten Vaters von Tim K. für entbehrlich, teilte der Vorsitzende Richter Reiner Skujat am Dienstag mit. Der Angeklagte sei bereits vernommen worden. Von seiner Anwesenheit erwarte das Gericht keine Sachaufklärung; eine Gegenüberstellung mit Zeugen sei nicht geplant. Die Nebenklage wertete das Fernbleiben dagegen als „Affront“.

Der Vater von Tim K. muss sich seit Mitte September vor dem Landgericht Stuttgart verantworten, weil er eine seiner Pistolen unverschlossen aufbewahrt hatte. Sein 17 Jahre alter Sohn tötete damit am 11. März vergangenen Jahres an seiner früheren Schule in Winnenden und auf der Flucht nach Wendlingen 15 Menschen und sich selbst.

In der Vorwoche waren bereits zwei Verhandlungstage ausgefallen, weil der Angeklagte krankgeschrieben war. Am Dienstag erschien der Unternehmer überraschend nicht zum Prozess, obwohl er laut Gericht verhandlungsfähig war. Er wolle sich auch an den nächsten Verhandlungstagen von seinen Verteidigern vertreten lassen, ließ er mitteilen. Laut Gericht ist der 51-Jährige der Verhandlung schuldhaft ferngeblieben; eine Strafe erhielt er dafür aber nicht. Mit seinem Fernbleiben verwirke er allerdings sein Recht, gestaltend auf den Prozess einzuwirken, sagte Skujat. Auch die Staatsanwaltschaft hielt die Anwesenheit des Angeklagten nicht für erforderlich, sah aber von rechtlichen Schritten dagegen zunächst ab.

„Er stellt sich seiner Verantwortung nicht einmal im Ansatz. Das zeigt mehr als deutlich, wie er tickt, ist aber mehr als beschämend“, sagte der Waiblinger Rechtsanwalt Jens Rabe, einer der Vertreter der Nebenkläger. Seine Kollegin Iris Stuff meinte, wenn der Vater nicht mehr vor Gericht erscheinen müsse, sei dies das falsche Signal: „Der Angeklagte darf uns auf der Nase herumtanzen und wird dafür belohnt.“

Sicherheitsaspekte hätten bei der Entscheidung, den Angeklagten freizustellen, keine Rolle gespielt, betonte Skujat. Der Unternehmer hat in letzter Zeit Morddrohungen erhalten. Deswegen waren die Sicherheitsvorkehrungen erhöht worden. In einem Attest war von Beschwerden wegen einer bereits länger andauernden Herzerkrankung die Rede. In einem weiteren Attest wurde dem Angeklagten eine psychische Erkrankung infolge der Drohungen bescheinigt.

Ein Hinterbliebener eines Opfers hatte nach Informationen aus Sicherheitskreisen von einem möglichen Anschlag auf den Unternehmer gesprochen . Es gebe deutliche Anzeichen, dass die Gefährdung für den Angeklagten steige. Die Staatsanwaltschaft sieht von Ermittlungen ab. Der Sportschütze lebt mit seiner Frau und einer Tochter unter einer anderen Identität an einem geheimen Ort. Die Familie war kurz nach dem Amoklauf aus Winnenden weggezogen. Sie hatte bereits damals Morddrohungen erhalten.