Im Prozess um Jörg Kachelmann kritisierte der Hamburger Anwalt Johann Schwenn die Zeugenvernehmung des Gerichts - und die Medien.

Mannheim. Hätte sich Jörg Kachelmanns neuer Anwalt Johann Schwenn beim Debüt nicht gleich in Szene gesetzt, wäre es ungewöhnlich gewesen, ein handwerklicher Schnitzer womöglich. Schwenn, der überraschend die Verteidigung von Reinhard Birkenstock übernahm, enttäuschte das gespannte Publikum denn auch nicht und rammte mit Eifer erste Pflöcke ein.

Mit hanseatisch-eleganter Rhetorik zwar, aber auch mit viel Schärfe machte Schwenn der Kammer sogleich klar, was er von ihren Zeugenvernehmungen hält: fast nichts. Und dass ihm die Berichterstattung mancher Medien ein Dorn im Auge ist, wusste Schwenn sogar mehrfach kundzutun. Über eine Reporterin der "Bunten" sagte er sogar, sie tue sich "sonst durch Heranwanzen an Prominente" hervor, jetzt koordiniere sie eine Berichterstattung, die die Persönlichkeitsrechte seines Mandanten massiv verletze.

Schon früher hatte Schwenn die Mannheimer Justiz kritisiert

Die Frage ist aber, ob Schwenn sich und seinem Mandanten mit den harschen Attacken einen Gefallen tut. Der Jurist hatte die Mannheimer Justiz sogar schon vorab, ohne die Richter je erlebt zu haben, im Magazin "Cicero" scharf angegriffen. Richter Michael Seidling unterstellte er "Verneigung vor der Unvernunft", der Staatsanwaltschaft warf er "bloßstellendes und dilettantisches Herumermitteln" vor.

Hinter den Kulissen wird nun heftig darüber debattiert, ob es klug war von Kachelmann, mitten im Rennen das Gespann auszuwechseln. Der sonst zurückhaltende Anwalt der Nebenklägerin, Thomas Franz, nutzte die Gelegenheit zu einem genüsslichen Kommentar: "Vielleicht schätzt der Angeklagte seine Situation realistischer ein, als sie seine Verteidiger bisher darstellten."

Das Landgericht Mannheim hatte über den spektakulären Verteidigerwechsel am 16. Prozesstag zunächst ohne große Worte hinweggehen wollen. "Wir begrüßen Johann Schwenn als Verteidiger von Herrn Kachelmann", sagte Richter Seidling lapidar - und rief die Zeugin auf, eine weitere Ex-Geliebte. Doch Schwenn hatte mitnichten die Absicht, das Feld so leise zu betreten. Dabei war der 63-jährige Anwalt lediglich gefragt worden, ob er etwas gegen den Ausschluss der Öffentlichkeit einzuwenden habe, wenn die Zeugin des Tages, die Erfurter Inhaberin eines Dentallabors, vernommen werde. Schwenn nutzte die Gunst der Stunde zu einem Rundumschlag, kritisierte einen "Paparazzo", der ihn durchs Fenster fotografiert hatte. Dass selbst er angeblich überrascht ist von den Begleiterscheinungen des Prozesses, will etwas heißen: Der Hamburger verteidigte immerhin den VW-Betriebsratschef Klaus Volkert, der in einen Skandal um Schmiergeld, Sexpartys und Lustreisen verwickelt war. Bei Volkert zumindest musste Schwenn eine schwere Schlappe einstecken: Der Mann war zu fast drei Jahren Haft verurteilt worden. Dafür hatte Schwenn aber bereits mehrfach in Verfahren gesiegt, in denen es um angebliche Vergewaltigung ging.

Die Zeugin, eine Ex-Geliebte, entlastete Kachelmann

Der Strafverteidiger gilt als selbstbewusst und konfrontativ - er rügte die Richter gleich selbst. Seinem Empfinden nach hatte sich die beisitzende Richterin Daniela Bültmann bei der Vernehmung der Erfurter Zeugin im Ton und Verhalten vergriffen. Die Zeugin hatte offenbar ausgesagt, dass jegliche Form des Liebesspiels mit Kachelmann einvernehmlich gewesen sei. Bültmann wurde angeblich ungeduldig.

Ohnehin kritisierte Schwenn die Vernehmung der Ex-Geliebten Kachelmanns. Es falle auf, "dass man sich auf Zeuginnen beschränkt, die als Sexualpartner des Angeklagten angesehen werden". Das Gericht glaube, so Schwenn, "mit juristisch anmutender Genauigkeit dem Sexualverhalten des Angeklagten nachgehen zu müssen". Als der Vorsitzende Richter widersprach, sagte Schwenn: "Herr Vorsitzender, Spontanreaktionen sind immer problematisch." Dann machte er deutlich, was er von den bisherigen Zeugenvernehmungen hält: "Das, was bisher geschehen ist, ist - abgesehen von der verschrifteten Vernehmung der Nebenklägerin - alles irrelevant." Das Verfahren wird am Freitag fortgesetzt.