Verteidiger Schroth sah keinen Anlass, von seinen Aufgaben entbunden zu werden. Staranwalt Schwenn traut er schnelles Einarbeiten nicht zu.

Karlsruhe. Es ist nun viel von Pferden und Flüssen die Rede, wenn es um den Kachelmann-Prozess geht: „In der Mitte des Flusses wechselt man eigentlich nicht die Pferde“, sagt einer der ehemaligen Verteidiger des Wettermoderators, und so etwas ähnliches denken wohl viele. Doch genau das hat Kachelmann getan: Nach 15 Verhandlungstagen und kurz vor der wohl entscheidenden Phase des Vergewaltigungsprozesses trennt sich der Schweizer von seinen Wahlverteidigern und setzt auf den Hamburger Staranwalt Johann Schwenn .

Was ist da passiert? „Es gab aus meiner Sicht keinerlei Anlass“, sagt der bisherige Kachelmann-Anwalt Klaus Schroth. „Das letzte Treffen mit Herrn Kachelmann nach der Hauptverhandlung war so einvernehmlich, dass ich nicht damit rechnen konnte, und deswegen ist es auch bei mir eine starke Überraschung.“

Kachelmann habe die Entscheidung nicht weiter begründet, sagt Schroth. „Ich weiß auch nicht, ob und welche Ratgeber da möglicherweise am Werk waren.“ Die Pflichtverteidigerin Andrea Combé weiß wohl mehr, aber möchte sich nicht zu den Motiven äußern. „Es war auch für mich überraschend“, sagt sie nur. Combé gerät nun in eine Schlüsselrolle – sie bleibt dabei, und als einzige auf der Kachelmann-Seite hat sie nun den kompletten Prozess gesehen. Sie wollte sich am Dienstagabend erstmals mit Schwenn beraten.

Der Hamburger Anwalt hat Erfahrung mit großen Prozessen: Zu seinen Mandanten zählten der DDR-Topspion Markus Wolf, der ehemaligen RAF-Terrorist Peter-Jürgen Boock, Radrennfahrer Jan Ullrich und der Linken-Politiker Gregor Gysi.

In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Cicero“ äußerte sich Schwenn sichtlich gut informiert zum Kachelmann-Verfahren – und schoss sich schon auf Staatsanwaltschaft und Gericht ein: Das Gericht verneige sich vor der Unvernunft, Staatsanwälte hätten durch „bloßstellendes und dilettantisches Herumermitteln“ den Ruf Kachelmanns vernichtet. Und dafür, droht Schwenn en passant, „müsste das Land Baden-Württemberg einstehen“. Im Nachhinein lässt sich der „Cicero“-Artikel wie ein Bewerbungsschreiben um das Kachelmann-Mandat lesen.

Schwenn steht nun vor der Herausforderung, sich in kürzester Zeit in ein umfangreiches Verfahren einzuarbeiten. Schroth bezweifelt, dass das möglich ist: „Das ist undenkbar. Er hat ja die ganzen Zeuginnen bislang nicht gehört, ich weiß nicht, wie das laufen soll.“

„Die Verteidigung wird reibungslos fortgeführt“, sagt hingegen Kachelmanns Medienanwalt Ralf Höcker. Er hatte sich – nach einem kurzen Auftritt zu Beginn des Prozesses – im Mannheimer Verfahren auffallend zurückgehalten. „Johann Schwenn ist hervorragend vorbereitet und Frau Combé bleibt ohnehin an Bord“, beruhigt Höcker. „Auch bei den von Rechtsanwalt Birkenstock ausgewählten Gutachtern bleibt es.“

Klar ist: Mit Birkenstock verliert der Prozess eine seiner prägenden Gestalten. Im Team der Verteidiger gab der 65-Jährige mit der rauchig-heiseren Stimme eindeutig den Ton an. Er hat die zahlreichen Gutachter auf der Kachelmann-Seite bestellt und bezog sogar seine in das Verfahren ein – die Psychologin betreute Kachelmann in den Verhandlungspausen. Nicht zuletzt war Birkenstock das Gesicht der Verteidigung in der Öffentlichkeit – er war es, der in den Verhandlungspausen vor die Fernsehteams trat. Er war es, der sich zuletzt mit einer umfangreichen Erklärung vor Gericht die Deutungshoheit über die nichtöffentlichen Zeugenvernehmungen sicherte. Und nach allem, was nach außen drang, schien es so, als hätten Kachelmann und seine Verteidiger durchaus Grund zu Zuversicht.

Eine Erklärung für den plötzlichen Wechsel könnte wohl am ehesten der Angeklagte selbst liefern. Doch wenig überraschend: Kachelmann schweigt. Am Mittwoch sollen zwei seiner ehemaligen Geliebten vernommen werden.