Die Bewohner des von giftigem Bauxitschlamm überschwemmten ungarischen Dorfes Kolontar dürfen heimkehren - allerdings mit gemischten Gefühlen.

Ajka. Knapp eine Woche nach ihrer Not-Evakuierung sind die Bewohner des von giftigem Bauxitschlamm überschwemmten ungarischen Dorfes Kolontar nach und nach in ihre Häuser zurückgekehrt. Die ersten der 800 Einwohner fuhren am Freitag mit Bussen aus Ajka ab, wo sie im Sportzentrum untergebracht waren. Die Aluminiumfabrik, aus deren Auffangbecken der Schlamm ausgelaufen war, sollte noch im Laufe des Tages wieder in Betrieb gehen . „Alles ist für die Rückkehr der Einwohner fertig“, sagte eine Sprecherin des Rettungsdienstes, Györgyi Töttös. Allerdings ist das Dorf von der Polizei abgeriegelt, nur die Einwohner haben Zugang. Die Medien sollten für die erste Zeit draußen bleiben.

Die Einwohner sahen ihrer Rückkehr mit gemischten Gefühlen entgegen: „Die Hoffnung stirbt als letztes, deshalb hoffe ich, auch wenn ich alles verloren habe“, sagte der 84-jährige Ferenc Farkas, bevor er einen der Busse bestieg. Er sei in Kolontar geboren und wolle hier auch sterben. Die Großeltern von Anastasia und Sandor Takacs dagegen wollen wegziehen. Ihre zehn und elf Jahre alten Enkel leben seit Jahren bei ihnen und sie fürchten um deren Gesundheit.

„Wir haben keine andere Wahl als zurückzukehren“, sagt ihre Nachbarin Katali Szaldi. Zwar sei ihr Haus unbeschädigt, doch könne sie es nicht verkaufen und umziehen: „Wer ist so denn verrückt und will noch freiwillig hier leben?“ Am liebsten wäre es der 63-Jährigen, die Unglückfabrik würde stillgelegt - doch dann würden tausende Menschen ihre Arbeit verlieren, und das wolle sie auch nicht, sagte sie.

Nahe Ajka, rund 160 Kilometer westlich von Budapest, war am Montag vergangener Woche ein Auffangbecken der Aluminiumfabrik MAL geborsten. Wie eine Sintflut überschwemmte giftiger roter Schlamm Kolontar und weitere Ortschaften und verseuchte 40 Quadratkilometer Land. Neun Menschen wurden getötet, weitere 150 verletzt. Über Bäche und Flüsse hin ergoss sich das giftige Gemisch auch in die Donau. Am vergangenen Samstag wurden die 800 Einwohner von Kolontar erneut in Sicherheit gebracht, weil das Giftschlamm-Auffangbecken der nahe gelegenen Aluminiumfabrik erneut zu bersten drohte.

Die Risse haben sich nach Angaben der Behörden jedoch nicht mehr vertieft, zusätzlich soll nun ein neues Dammsystem das Dorf schützen. Vergeblich protestierte Greenpeace am Freitag gegen die Rückkehr der Bewohner. Solange die genauen Gründe für den Bruch des Beckens nicht bekannt seien, sei es „unverantwortlich“, die Menschen nach Kolontßr zurückzubringen.

Die Katastrophe ist der größte Chemieunfall in der Geschichte des osteuropäischen Landes. Das Aluminiumwerk wurde inzwischen verstaatlicht. Als einer der größten Arbeitgeber in der verarmten Region sollte es die Produktion am Mittag wieder aufnehmen. Nach Angaben einer Sprecherin des Katastrophenschutzes, Timea Petroczi, verzögerte sich der Betriebsbeginn jedoch wegen „administrativer Probleme“. Wann es wieder losgehen würde, war zunächst unklar.