Nach dem Chemieunfall in einem Abfallbecken in Ungarn wurde der Chef der festgenommen. Bei der Umweltkatastrophe starben acht Menschen.

Budapest. Eine Woche nach dem Giftschlamm-Unglück im Westen Ungarns greifen Politik und Behörden des Landes durch. Nach einem Parlamentsbeschluss vom Montagabend steht der mutmaßliche Verursacher der Umweltkatastrophe , die Ungarische Aluminium-AG (MAL), einen Schritt vor der Verstaatlichung. MAL-Generaldirektor Zoltan Bakonyi war wenige Stunden zuvor von der Polizei wegen des Verdachts auf Massengefährdung und Umweltschädigung festgenommen worden. Die Einsatzkräfte im Katastrophengebiet fanden indes die Leiche eines achten Todesopfers.

Wie der ungarische Katastrophenschutz mitteilte, wird damit niemand mehr vermisst. Sieben Opfer wurden unter den Schlammmassen aus dem geborstenen Abfallbecken eines Bauxitwerkes begraben. Ein Mensch starb an Verätzungen. Auch die rund 150 Verletzten wurden zumeist von der laugenhaltigen Brühe verätzt.

Fast eine Million Kubikmeter Bauxitschlamm waren am vergangenen Montag ausgeflossen. Sie überschwemmten mehrere Dörfer und insgesamt 40 Quadratkilometer Land. Mehr als 4000 Einsatzkräfte sind noch in der Region im Einsatz. Sie beseitigen Verwüstungen und sollen eine mögliche zweite Giftschlammwelle verhindern, falls die Mauer des Abfallbeckens erneut bricht.

Das am Montagabend vom Parlament gebilligte Gesetz sieht vor, dass Unternehmen „in Situationen, die außerordentliche Maßnahmen erfordern“, unter staatliche Kontrolle gebracht werden können. Es sei auch „auf laufende Angelegenheiten“, das heißt auf den Fall MAL, anzuwenden. Formal wurde es als Novelle des Landesverteidigungsgesetzes beschlossen. Rechtswissenschaftler und Juristen meldeten wegen der allgemeinen Formulierung dieses De-facto-Notstandsgesetzes verfassungsrechtliche Bedenken an.

Die Vorlage der rechts-konservativen Regierungspartei FIDESZ von Viktor Orban wurde mit großer Mehrheit gebilligt. Die oppositionellen Sozialisten stimmten ebenso dafür wie die rechtsextreme Jobbik (Die Besseren), lediglich die Öko-Partei LMP enthielt sich der Stimme. Die MAL befindet sich im Besitz ungarischer Geschäftsleute, die bei der Privatisierung der Aluminiumindustrie in den 1990er Jahren dank ihrer politischen Beziehungen zum Zug gekommen waren.

Das Gesetz muss noch von Staatspräsident Pal Schmitt verkündet werden. Orban kann im Anschluss daran die MAL per Regierungsverordnung verstaatlichen und einen Regierungskommissar mit der Geschäftsführung beauftragen.

Der festgenommene Generaldirektor Bakonyi ist der Sohn eines Miteigentümers. Das Nationale Ermittlungsbüro (NNI), der für die Aufklärung schwerer Verbrechen zuständige Arm der ungarischen Polizei, verdächtigt den Top-Manager der Umweltschädigung und der Massengefährdung mit mehrfacher Todesfolge.

In Ungarn traf unterdessen ein sechsköpfiges Expertenteam der Europäischen Union (EU) ein. Die Spezialisten wollen sich vor Ort ein Bild von der Lage machen, Daten sammeln und den ungarischen Behörden bei der Bewältigung der Umweltkatastrophe helfen. Dem Team gehört auch Reinhard Röder an, der die Abteilung für Zentrale Analytik im Bayerischen Landesamt für Umwelt leitet.

In dem am schlimmsten betroffenen Dorf Kolontar waren die Einsatzkräfte weiter damit beschäftigt, einen Auffangdamm für eine mögliche neue Giftwelle zu errichten. Die einen Kilometer lange und vier Meter hohe Mauer soll den laugenhaltigen Schlamm aufhalten, falls das Abfallbecken erneut bricht. In der Umrandung waren vor dem Wochenende neue Risse bemerkt worden. Die Erosion habe sich aber nicht mehr weiter ausgebreitet, sagte der Leiter des ungarischen Katastrophenschutzes, György Bakondi, auf einer Pressekonferenz in Budapest.